Sachsen:"Das dürfen wir uns nicht gefallen lassen"

Sondersitzung Landtag Sachsen

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) am Montag im Plenum des sächsischen Landtages. Anlässlich der Feststellung der epidemischen Lage im Freistaat rechnet die Polizei mit einem Protest von Gegnern der Corona-Politik.

(Foto: Sebastian Kahnert/dpa)

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer wehrt sich nach dem Fackelaufzug vor dem Haus seiner Sozialministerin Petra Köpping gegen Einschüchterungsversuche von Corona-Leugnern.

Von Antonie Rietzschel, Dresden

Eigentlich sollte es bei der Sondersitzung des sächsischen Landtags nur um eine Formalie gehen: Die Abgeordneten kamen zusammen, um über die Notwendigkeit einer pandemischen Notlage abzustimmen. Voraussetzung, um Maßnahmen des Infektionsschutzgesetzes im Freistaat umsetzen zu können.

Doch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer setzte zu einer demokratischen Grundsatzrede an. Gewählte Politiker, Gemeindevertreter, Bürgermeister, Richter und Journalisten müssten frei ihre Meinung sagen können. Das sei der Grundstock für das freiheitliche Miteinander in diesem Land. "Das werden wir mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln verteidigen."

Kretschmer spielte damit auf Gewaltaufrufe gegen ihn selbst in sozialen Netzwerken und den Versuch von Corona-Leugnern an, Sozialministerin Petra Köpping (SPD) einzuschüchtern. Mit Fackeln und Trillerpfeifen waren sie am Wochenende vor deren Wohnhaus gezogen. Die Polizei griff durch, konnte die Identität von 25 Personen feststellen. Kretschmer sprach Köpping seine Solidarität aus. "Das dürfen wir uns nicht gefallen lassen."

Seit Wochen protestieren selbsternannte "Spaziergänger" gegen die Corona-Politik

Für Montag hatten außerdem mehrere Gruppierungen, darunter die rechtsextremen "Freien Sachsen", dazu aufgerufen, vor den Landtag zu ziehen. Die Polizei bereitete sich auf mögliche Ausschreitungen vor, doch zur angekündigten Zeit ließen sich kaum Demonstranten blicken. Aufgrund des Teil-Lockdowns in Sachsen sind derzeit nur ortsfeste Kundgebungen mit zehn Teilnehmern erlaubt. Doch seit Wochen laufen selbsternannte "Spaziergänger" zu Hunderten durch die Straßen diverser Städte, um gegen Corona-Schutzmaßnahmen und die Landesregierung zu demonstrieren. Die Polizei wurde immer wieder kritisiert, nicht entschieden genug gegen die Proteste vorzugehen. Am Montagabend nun stoppte sie mehrere Kundgebungen etwa in Bautzen und Freiberg.

Innenminister Roland Wöller (CDU) hat das Vorgehen der Polizei stets verteidigt, die Verantwortung auf die Reviere vor Ort abgeschoben. Auf Nachfragen zu Gruppierungen wie den "Freien Sachsen" tat er lange so, als ging es ihn nichts an. Dabei warnt der Verfassungsschutz schon länger vor einer größeren Gewaltbereitschaft. Am Montagmorgen, nach dem Aufmarsch bei Köpping, war der Innenminister dann medial omnipräsent. In aller Frühe erklärte er im Deutschlandfunk, Rechtsextremismus sei in Sachsen lange unterschätzt worden. "Das ist seit der Amtszeit von Michael Kretschmer anders." Ein Lob, das auch ein Selbstlob war, denn Wöller ist seit 2017 im Amt. Dabei steht der Innenminister bei Opposition und rot-grünen Koalitionspartnern gleichermaßen in der Kritik.

Am Montag war Wöller schon weit vor Beginn der Sitzung im Landtag unterwegs, überbrachte Fernsehteams immer dieselbe Botschaft: Man erlebe eine Radikalisierung der bürgerlichen Mitte durch Rechtsextreme und Reichsbürger. Wöller verwies aber auch darauf, dass es sich um eine pandemische Lage handele, die nicht mit Polizeiwagen zu bekämpfen sei. Kretschmer versuchte in seiner Rede, dennoch etwas Zuversicht zu verbreiten: "Wir werden es schaffen, durch diese schwere Zeit hindurchzukommen", sagte er.

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