Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich in den Streit um die Verhältnismäßigkeit eines Polizeieinsatzes gegen ein ZDF-Team eingeschaltet. Merkel sagte während eines Besuchs in Georgien, wer auf eine Demonstration gehe, müsse damit rechnen, dass er "durch Medien dabei aufgenommen und beobachtet wird". Sie bekenne sich "ausdrücklich zur Pressefreiheit", es müsse "eine freie Arbeit der Journalisten geben". Direkte Kritik an Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), der wegen des Einsatzes unter Druck geraten ist, vermied Merkel jedoch.
Vor einer Woche hatten Polizisten die im Auftrag des ZDF arbeitenden Journalisten eine Dreiviertelstunde lang davon abgehalten, eine Demonstration von AfD- und Pegida-Anhängern gegen einen Merkel-Besuch in Dresden zu begleiten. Auslöser war die Beschwerde eines Demonstranten, der nicht gefilmt werden wollte. Kretschmer hatte die Beamten in Schutz genommen und erklärt, sie seien die einzigen an dem Vorfall beteiligten Personen gewesen, die sich "seriös" verhalten hätten. Bereits dies hatte in der Opposition, aber auch beim Koalitionspartner SPD, erheblichen Unmut ausgelöst. Am Mittwoch wurde dann auch noch bekannt, dass der Demonstrant Mitarbeiter des sächsischen Landeskriminalamtes ist. Außerdem heizte CDU-Fraktionschef Frank Kupfer den Konflikt weiter an. Zu einem Bericht im ZDF über den Vorfall schrieb er auf Facebook: "Öffentlich rechtliche ... dafür bezahlen wir Beiträge..."
Sachsen:Wer gegen die "Lügenpresse" kämpft, hat bei der Polizei nichts verloren
Der Fall des LKA-Mitarbeiters auf einer Pegida-Demonstration offenbart einen fatalen Korpsgeist bei der Polizei. Das ist ein Alarmsignal für ganz Deutschland.
Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) sagte, die Pressefreiheit sei "ein hohes Gut und elementarer Teil unseres Grundgesetzes". Deshalb sei "der Vorfall in Sachsen so besorgniserregend, die sächsischen Behörden müssen umfassend aufklären". Sachsens stellvertretender Ministerpräsident, Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD), sagte, wer "jede Kritik an Polizei und Justiz reflexhaft und empört abwehrt", erweise sowohl den Mitarbeitern selbst als auch Sachsen "einen Bärendienst" und richte "eher Schaden an".
Kretschmer und seine Sachsen-CDU sehen sich unter enormem Druck der AfD. Bei der Bundestagswahl überholten die Rechtspopulisten die CDU und wurden stärkste Partei in dem Bundesland. Kretschmer verlor seinen Wahlkreis an einen AfD-Kandidaten und verpasste den Wiedereinzug in den Bundestag. Bis dahin war er stellvertretender Chef der Unionsfraktion. Der damalige CDU-Landesvorsitzende und Ministerpräsident Stanislaw Tillich trat wegen des schlechten Wahlergebnisses von seinen Ämtern zurück, sein Nachfolger in beiden Funktionen wurde Kretschmer. Nächstes Jahr wird in Sachsen ein neuer Landtag gewählt. Die zuletzt veröffentlichten Umfragen sagen der von Kretschmer geführten großen Koalition den Verlust ihrer Mehrheit voraus - auch wegen der Stärke der AfD.
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