Irgendwann sind bei jeder Wahl die Stimmen ausgezählt, die Spannung fällt ab. Allerdings nicht in Sachsen, wo der Morgen nach der Landtagswahl noch eine kleine, aber entscheidende Wendung bereithielt. Aufgrund eines Softwarefehlers musste die Sitzverteilung korrigiert werden, teilte der Landeswahlleiter mit. Das führt unter anderem dazu, dass der AfD ein Sitz weniger zusteht als zunächst angegeben. Damit hält die rechtsextreme Partei exakt ein Drittel aller Sitze im sächsischen Landtag und verfehlt denkbar knapp eine sogenannte Sperrminorität. Diese hätte es der AfD ermöglicht, Abstimmungen zu blockieren, die eine Zweidrittelmehrheit erfordern. Etwa, wenn das Parlament neue Verfassungsrichter ernennen oder die Landesverfassung ändern möchte.
In Dresden sorgte das für Erleichterung, etwa bei Henning Homann, dem Vorsitzenden der SPD Sachsen. „Das Schlimmste ist ausgeblieben“, sagte er. Weder sei die AfD stärkste Kraft geworden, noch habe sie die befürchtete Sperrminorität erreicht. Homann versteht die 7,4 Prozent für die SPD als „stabiles“ Ergebnis. Der SPD eröffnet es die Möglichkeit, erneut Teil einer Koalition unter Führung von Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) zu sein. Für eine Mehrheit bräuchten die beiden Parteien allerdings das BSW.
Ministerpräsident Kretschmer will nicht mehr von „Brandmauer“ sprechen
Eine Koalition mit dem politischen Senkrechtstarter des Jahres sieht SPD-Mann Homann jedoch „extrem skeptisch“, da das Programm des BSW im Bereich der Landespolitik große Lücken aufweise. Seine Skepsis gilt auch der Ansage der Partei, als Teil der Regierung eine Initiative im Bundesrat einzureichen. Diese soll die Bundesregierung dazu bringen, im Ukrainekrieg diplomatische Verhandlungen anzustoßen. Juristisch sei das aber gar nicht möglich, sagt Homann.
Auf eine Frage zu einer Koalition mit dem BSW antwortete Alexander Dierks auf der Landespressekonferenz in Dresden ausweichend. Stattdessen betonte der CDU-Generalsekretär, dass seine Partei einen „deutlichen Regierungsauftrag“ von den Wählern bekommen habe. Mit Blick auf das Wahlergebnis in Thüringen sei das nicht selbstverständlich gewesen, so Dierks. Nun schaue man, wo inhaltlich Schnittmengen zu den anderen Parteien sind. Das BSW nannte er explizit nicht, obwohl nur mit diesem die stabile Regierung möglich ist, die Sachsen laut Dierks so dringend braucht.
Eine Zusammenarbeit mit der AfD schließt Ministerpräsident Kretschmer nämlich aus. Am frühen Morgen deutete er im Umgang mit den Rechtsextremen aber einen kleinen Perspektivwechsel an. Vielleicht sollte man den Begriff „Brandmauer“ nicht verwenden, sagte Kretschmer dem Deutschlandfunk. Der werde nämlich so umgedeutet, als würde man der AfD ihre demokratischen Rechte entziehen, obwohl das überhaupt nicht der Fall sei. Nachfragen, ob die CDU nun mit der AfD zusammenarbeiten wolle, beantwortete Kretschmer nicht. Deren Generalsekretär Jan-Oliver Zwerg sagte auf der Landespressekonferenz, seine Partei stehe für Gespräche bereit. „Die Schnittmengen sind durchaus sehr groß.“ Außerdem kündigte er an, die AfD werde in der Opposion „noch lösungsorientierter“ arbeiten.
Und der mögliche Königsmacher, das BSW? Dessen Spitze scheint sich bewusst zu sein, dass es jetzt erst richtig losgeht. „Das ist schon ein ganz schöner Hammer, der vor uns liegt“, sagte ihr stellvertretender Vorsitzender Lutz Richter. Parteivize Jörg Scheibe, der neben Richter saß, war es wichtig, mit einem Gerücht aufzuräumen.
Es stimme nicht, dass Parteigründerin Sahra Wagenknecht wolle, dass das BSW in Sachsen in die Opposition gehe. „Sie hat ganz klar gesagt: Wenn der Wähler uns den Auftrag gibt, werden wir die Verantwortung nicht scheuen.“ Eine kleine Spitze konnte sich Scheibe bei seinem Auftritt nicht verkneifen. Für das BSW sei das Wahlergebnis „historisch“, für die Regierung in Berlin aber „natürlich auch eine ziemliche Klatsche“. Die Wahl mag vorbei sein. Solange die Ampelkoalition besteht, dürfte es mit harter Kritik an ihr aber weitergehen – erst recht aus Sachsen.