Sachsen:Michael Kretschmer erneut Ministerpräsident

Lesezeit: 3 Min.

„Vor uns liegen anstrengende Jahre“, sagte Michael Kretschmer nach seiner Wiederwahl als sächsischer Ministerpräsident. (Foto: Florian Gaertner/IMAGO)

Sachsens Landtag wählt den CDU-Politiker im zweiten Wahlgang zum Ministerpräsidenten. Ein „Kemmerich-Moment“ wurde verhindert, aber dieser Tag in Dresden zeigt, dass das Regieren ohne feste Mehrheit für die von ihm geführte Koalition nicht einfach wird.

Von Johan Schloemann, München

Michael Kretschmer bleibt Ministerpräsident von Sachsen. Der Christdemokrat wurde am Mittwoch im Landtag in Dresden im zweiten Wahlgang gewählt und anschließend vereidigt. Kretschmer, der seit 2017 im Amt ist, wird in einem Bündnis mit der SPD eine Minderheitsregierung anführen, der zehn Mandate zu einer parlamentarischen Mehrheit fehlen.

Mit diesem Manko ging Kretschmer auch in den ersten Wahlgang der Ministerpräsidentenwahl. In diesem bekam er nicht die erforderliche absolute Mehrheit der 120 Landtagsabgeordneten, sondern 55 Stimmen und damit nur vier Stimmen mehr, als CDU und SPD zusammen Sitze im Landtag haben. Die anderen Fraktionen – AfD, Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), Grüne und Linke – haben damit ein Signal gesetzt, dass sie Kretschmer nicht bedingungslos unterstützen wollen. Insbesondere die Grünen hatten sich zuvor über Kretschmers Avancen zur Mehrheitsbeschaffung verärgert gezeigt, die nach ihrer Auffassung zu spät erfolgt sind.

Im zweiten Wahlgang hingegen, in dem die einfache Mehrheit ausreichte, versammelte Kretschmer 69 Stimmen auf sich, also offenkundig auch einige aus den Reihen von Linken und BSW. Sabine Zimmermann, BSW-Fraktionschefin, sagte in letzter Minute vor der Abstimmung im Rundfunk: „Wir haben die Abstimmung freigegeben, weil es doch eine Gewissensentscheidung ist.“ Die Grünen erklärten nach der geheimen Wahl, sie hätten sich „zum Wohle des Landes“ enthalten.

SZ PlusMeinungSachsen
:Michael Kretschmer kann froh sein, aber leichter wird es jetzt nicht für ihn

Kommentar von Iris Mayer

Die AfD, mit 40 Mandaten im sächsischen Landtag zweitstärkste Kraft hinter der CDU, wählte im zweiten Wahlgang nach eigenem Bekunden mehrheitlich den parteilosen Abgeordneten Matthias Berger, um „einen politischen Wandel“ in Sachsen zu erreichen. Der frühere Bürgermeister der Stadt Grimma, der mit einem Direktmandat für die Freien Wähler in den Landtag gekommen war, bekam 39 Stimmen. Der AfD-Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten, Fraktions- und Landesparteichef Jörg Urban, erlangte demgegenüber bloß eine einzige Stimme.

Mit diesem Manöver versuchte die rechtsgerichtete AfD, die anderen Fraktionen in einem neuerlichen „Kemmerich-Moment“ vorzuführen – in Erinnerung an den FDP-Politiker Thomas Kemmerich, der 2020 in Thüringen mit Hilfe der AfD ins Amt gekommen und nach zwei Tagen wieder zurückgetreten war. Nachdem dies in Sachsen „nicht geklappt“ hat, sagte Jörg Urban am Mittwoch, werde die AfD fortan als „starke Opposition“ agieren. Michael Kretschmer dankte „den verantwortungsbewussten Kollegen und Fraktionen“, die mit ihrer Wahl dafür gesorgt hätten, „dass wir heute nicht im Chaos versinken“.

Gleichwohl wird das Regieren in dem Freistaat, der gut vier Millionen Einwohner hat, nicht einfach werden. Die Minderheitsregierung – die zweite in Ostdeutschland neben Thüringen – muss bei den anderen Parteien um wechselnden Zuspruch für ihre Gesetzesvorhaben werben und will dafür einen sogenannten Konsultationsmechanismus etablieren. Nach der Landtagswahl am 1. September hatte Kretschmer noch versucht, neben den Sozialdemokraten auch das BSW für eine Koalition zu gewinnen – zuvor hatte er mit SPD und Grünen zusammen regiert. Doch die Wagenknecht-Partei war Anfang November aus den Sondierungsgesprächen ausgestiegen – anders als in Brandenburg und Thüringen, wo sie jetzt mitregiert. Am Montag wurde dann schließlich der Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD unter dem Motto „Mutig neue Wege gehen“ unterzeichnet.

BSW-Gründerin Wagenknecht spricht von "gewissen Zusagen"

„Es braucht ein großes Vertrauen in diesem Parlament“, erklärte der 49-jährige Kretschmer nach seiner Wahl, und: „Vor uns liegen anstrengende Jahre.“ Die Umstände der Ministerpräsidentenwahl haben vorgeführt, dass Union und SPD sich auf schwierige Zugeständnisse einstellen müssen: Die Linken-Fraktionschefin Susanne Schaper warnte im MDR, man habe Kretschmer mit der Wahl „einen Vertrauensvorschuss gegeben, aber keinen Blankoscheck“, und vom BSW hieß es, man werde nun „unsere Themen intensiver durchsetzen können“.

BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht ergänzte von Berlin aus, ihre Partei habe in Sachsen „gewisse Zusagen“ bekommen, um Kretschmers Wahl zu unterstützen. Dies betreffe den Verzicht auf bestimmte Kürzungen und den Einsatz für den Frieden, was Wagenknecht jedoch nicht näher ausführte. Schon bisher hatte Michael Kretschmer, der auch einer der Vize-Bundesvorsitzenden der CDU ist, sich immer wieder auf die russlandfreundliche Haltung in Teilen der ostdeutschen Bevölkerung berufen; ein besonders vehementer Unterstützer der Ukraine dürfte er wohl auch dann nicht mehr werden, wenn sein Parteifreund Friedrich Merz im kommenden Jahr Bundeskanzler werden sollte.

Insgesamt zeigt der Weg von den jüngsten Landtagswahlen bis zu den Regierungsbildungen, was das Erstarken von Protestparteien mit sich bringt: eine erhebliche Instabilität bei der Beschaffung von Mehrheiten.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusSachsen
:Zur Wiederwahl ein Nudelholz und ein Buch von Sahra Wagenknecht

Wie Sachsens Ministerpräsident Kretschmer mit Stimmen der SPD, der Linken und aus dem BSW wiedergewählt wird – und die AfD sich an einem Störmanöver versucht.

Von Iris Mayer

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: