Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hat sich mit dem sächsischen AfD-Chef Jörg Urban zu einem vertraulichen Gespräch getroffen. Urban ist auch Fraktionschef seiner Partei im Dresdner Landtag, wo das Gespräch stattfand. Urban habe Kretschmer das Gespräch angeboten, erklärte Regierungssprecher Ralph Schreiber auf Anfrage. Kretschmer habe ein Treffen nach der Wahl des Landtagspräsidenten und der Vizepräsidenten zugesagt. „Der Ministerpräsident spricht grundsätzlich mit allen Abgeordneten und Fraktionsvorsitzenden, die dies wünschen.“
Ein ganz normales Gespräch also? Zwar drang über den Inhalt bisher wenig nach außen. Der Leipziger Volkszeitung, die zuerst berichtete, teilte die AfD mit, Urban und Kretschmer hätten über „landespolitische Themen“ gesprochen, über den genauen Inhalt aber „Vertraulichkeit“ vereinbart.
Ein heikler Zeitpunkt
Doch allein dass sich die beiden zu einem Gespräch trafen, gilt als Überraschung. Denn Regierungschef Kretschmer hatte eine Zusammenarbeit mit der AfD stets abgelehnt und im Wahlkampf bei Anhängern anderer Parteien um Stimmen geworben, um einen Wahlsieg der AfD in Sachsen im vergangenen September zu verhindern – was dann auch knapp gelang.
Der Verfassungsschutz stuft den sächsischen AfD-Landesverband als „gesichert rechtsextrem“ ein, er begründet dies auch mit Äußerungen Urbans. Dieser steht dem „Flügel“ nah, der äußerst rechten AfD-Gruppierung um den thüringischen Landeschef Björn Höcke.
„Sächsische Separatisten“:Acht mutmaßliche Rechtsterroristen festgenommen – darunter mehrere AfD-Politiker
Die „Sächsischen Separatisten“ hätten Gebiete in Ostdeutschland mit Waffengewalt erobern wollen, teilt der Generalbundesanwalt mit. Unerwünschte Menschengruppen sollten dort notfalls durch ethnische Säuberungen entfernt werden.
Die Frage ist nun, wie SPD und BSW, mit denen Kretschmer derzeit Sondierungsgespräche über eine mögliche Landesregierung führt, auf das Treffen reagieren werden. Die Gespräche laufen ohnehin schleppend; in Thüringen und Brandenburg, wo ebenfalls im September gewählt wurde, ist man auf dem Weg zu einer neuen Regierung schon weiter. Die Parteien dort verhandeln bereits über eine mögliche Koalition.
In diese nächste Phase wollten CDU, BSW und SPD in Sachsen eigentlich noch in dieser Woche eintreten. Wie am Dienstag bekannt wurde, wird die Entscheidung über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen aber wohl erst Mitte November fallen. Uneinig ist man sich vor allem bei der Formulierung einer Präambel zum Thema Krieg und Frieden und einer gemeinsamen Position zur Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland.
Wenige Stunden nachdem die Parteien die erneute Verzögerung beschlossen hatten, sprachen Kretschmer und Urban. Aufgrund der laufenden Sondierungsgespräche habe Kretschmer BSW und SPD über das Treffen auch informiert, erklärte Regierungssprecher Schreiber.
Vor gut eineinhalb Wochen löste die AfD bereits einmal Ärger zwischen den möglichen Koalitionären aus. Damals hatte ein Großteil des BSW im Landtag für einen Antrag der AfD gestimmt, einen Corona-Untersuchungsausschuss einzusetzen. Dieser Schritt wäre auch ohne die Stimmen des BSW möglich gewesen. Die CDU reagierte gelassen, die SPD unterbrach jedoch verärgert die Sondierungsgespräche.