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Sachsen:Die demütigende Wahl des Georg Milbradt

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Der sächsische Ministerpräsident ist erst im zweiten Wahlgang wiedergewählt worden. In beiden Wahlgängen erhielt CDU-Politiker Milbradt nur 62 Stimmen - dabei waren 67 Koalitionsabgeordnete anwesend. Der NPD-Kandidat bekam beide Male mehr Stimmen, als die rechtsextreme Partei Sitze hat.

Von Bernd Oswald

Der neue alte sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt geht schwer beschädigt in die neue Legislaturperiode. Die 62 Stimmen bedeuten nur die einfache Mehrheit im 124-köpfigen Landtag.

CDU und SPD verfügen zusammen über 68 Sitze. Bei der Abstimmung fehlte eine CDU-Abgeordnete krankheitsbedingt. Milbradt erhielt also in beiden Wahlgängen fünf Stimmen weniger als CDU- und SPD-Abgeordnete anwesend waren.

Der Ministerpräsident sprach von einem schwierigen Start für die Koalition: "Ich habe einen Moment lang überlegt, ob ich die Wahl überhaupt annehmen sollte." Das tat er dann doch, mit Worten, die zeigten, dass er an dem Vertrauensverlust zu knabbern hat: "Vor uns stehen schwierige Jahre. Ich bitte das Hohe Haus, mit der neuen Regierung kollegial zusammenzuarbeiten."

Götterdammerung in der CDU

In der CDU geht man davon aus, dass die meisten Abweichler aus den eigenen Reihen kommen. Diese hätten Milbradt einen Denkzettel verpassen wollen, hieß es. Der frühere Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Klaus Leroff, sprach von Götterdämmerung.

Justizminister Thomas de Maiziere (CDU) sprach von einem schlechten Start für die neue Regierung. Da gebe es nichts zu beschönigen. Es sei Besorgnis erregend, dass Milbradt nicht alle Stimmen der Koalitionsmehrheit bekommen habe.

Der Gegenkandidat von der NPD, Uwe Leichsenring, erhielt auch im zweiten Wahlgang 14 Stimmen und damit zwei Stimmen mehr als die rechtsextreme Partei Sitze hat. Unklar bleibt, aus welchem Lager diese beiden Stimmen kommen.

CDU kommt nicht zur Ruhe

Der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Thomas Jurk, warnte vor erheblichen Problemen, die es jetzt in den nächsten Wochen zu lösen gelte. Diejenigen, die den NPD-Kandidaten gewählt hätten, wollten dem Freistaat Schaden zufügen.

Das Wahldebakel ist der vorläufige Tiefpunkt in Milbradts wechselvoller Polit-Karriere. 1990 kam er als Finanzminister nach Sachsen und blieb bis zu seiner Entlassung durch den damaligen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf (CDU) in diesem Amt. Biedenkopf bezeichnete Milbradt als hervorragenden Fachmann, aber als miserablen Politiker. In den folgenden Monaten entbrannte ein Kampf um die Nachfolge Biedenkopfs, der Anfang 2002 als Ministerpräsident zurücktrat, Milbradt aber auf jeden Fall verhindern wollte.

Der gebürtige Nordrhein-Westfale gewann den parteiinternen Machtkampf: Erst wurde er zum CDU-Landesvorsitzenden, dann zum neuen Ministerpräsidenten gewählt. Ein herber Rückschlag für Milbradt war das Wahlergebnis vom 19. September, als die CDU knapp 16 Prozentpunkte verlor und auf 41 Prozent absackte. Nach 14 Jahren ist die CDU-Alleinregierung nun beendet.

"Es muss im ersten Wahlgang funktionieren"

Zwar wurde das Wahldesaster Milbradt nicht direkt persönlich angelastet, seine Stellung hat es aber mit Sicherheit nicht gestärkt. In den letzten Wochen, auch während der langwierigen Koalitionsverhandlungen mit der SPD wurden parteiintern kritische Stimmen laut, die Milbradts Führungsstil und seine mangelnde Ausstrahlung kritisieren.

Schon vor der Abstimmung war spekuliert worden, ob es bei der CDU Abweichler geben könnte. "Es muss im ersten Wahlgang funktionieren, sonst machen wir uns lächerlich", hatte CDU-Fraktionschef Fritz Hähle am Dienstag gesagt. Er sehe aber keine "selbstzerstörerischen Kräfte" am Werk.

Bei der SPD wollten definitiv alle 13 Abgeordneten für Milbradt stimmen. Vermutlich kommen die Abweichler also tatsächlich aus der CDU. Sie haben ihren Ministerpräsidenten schwer beschädigt. Milbradt hat nicht nur eine schwierige Regierungsaufgabe vor sich, er muss auch seine Partei wieder in den Griff bekommen.

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