Deutschland nach den Wahlen im Osten:Die Groko hat keine Zukunft mehr

Bundestag

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) neben Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz (SPD)

(Foto: dpa)

Die Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg bekräftigen, dass die politische Szenerie in Deutschland vor tiefgreifenden Veränderungen steht. Das Bündnis von CDU/CSU und SPD wird dem nicht länger gerecht.

Kommentar von Ferdos Forudastan

Nein, das große politische Beben wird dieser Wahlsonntag zwar erst mal nicht auslösen. Mit Blick auf die Bundesebene hat das aber herzlich wenig zu sagen. Auch wenn es in Sachsen trotz der dramatischen Verluste der CDU zu einer von ihr geführten Regierung reicht, heißt das kaum, dass die verunsicherte Partei in Berlin wieder das Kreuz breitmachen kann.

Auch wenn der sozialdemokratische Ministerpräsident in Brandenburg mithilfe eines weiteren Koalitionspartners die Macht behält, wird die schwer taumelnde SPD sich nicht wieder fangen. Vor allem aber: Auch wenn die AfD in beiden Bundesländern nicht stärkste Partei geworden ist, so sagt das keineswegs, dass der rechte Höhenflug beendet ist. Nach den Wahlen in Brandenburg und Sachsen zeigt sich noch schärfer als zuvor, dass die alten, politisch einigermaßen übersichtlichen Zeiten endgültig vorbei sind.

CDU und SPD müsste spätestens dieser Sonntag den Anstoß geben, sich darüber klar zu werden, was sie künftig sein wollen und, wichtiger noch, sein können, wenn das Label Volkspartei einfach nicht mehr passt.

Bündnisse aus mindestens drei Partnern werden künftig nicht die Ausnahme, sondern die Regel bilden

Sehr klar leuchtet das Ergebnis dieser beiden Landtagswahlen im Osten auch die Tatsache aus, dass die großen ideologischen Gegenspieler mittlerweile Grüne und AfD sind; also hier die Repräsentanten eines städtischen, gebildeten, kosmopolitischen Milieus und dort die Propagandisten des Nationalstaats alter Prägung, die auf Abschottung gegen Migranten pochen und die Klimakrise zumindest verharmlosen wenn nicht gar leugnen.

Das grellste Licht wirft dieser Wahlsonntag auf den Erfolg der AfD - und damit auf die Frage, wie die demokratischen Parteien dieser Partei, in der sich etliche Demokratieverächter, Europafeinde und Rassisten tummeln, das Wasser abgraben können. Es bringt, auch das haben die Wahlen gezeigt, jedenfalls nichts, darauf zu hoffen, dass ihre zunehmende Radikalisierung die AfD nennenswert Wählerstimmen kostet.

Es jagt ihr auch keine Sympathisanten ab, als konservative Partei etwa eine inhumane Flüchtlingspolitik zu propagieren oder den Staat als handlungsunfähig darzustellen. Das hat zuletzt die CSU schmerzhaft erfahren.

Und so bleibt, obwohl das keineswegs originell ist, den politischen Konkurrenten der AfD nur, sich eindeutig von ihr und ihren Inhalten zu distanzieren, die Leer- und Schwachstellen dieser Partei bloßzulegen, und auch radikal selbstkritisch nach den Ursachen für den Boom der Rechten zu suchen.

Was nach diesen Wahlen ebenso offensichtlich ist: Bündnisse aus mindestens drei Partnern werden künftig nicht die Ausnahme, sondern die Regel bilden. Und damit wächst die Gefahr, dass Bürger noch weniger das Gefühl haben, wirklich zwischen unterschiedlichen Konzepten wählen zu können. Dem Verdruss, den das nach sich ziehen würde, können die Parteien nur dann etwas entgegensetzen, wenn sie auch und gerade in Regierungsbündnissen ihre Unterschiede deutlich herausstellen - und konstruktiv streiten.

Aber selbst wenn das geschähe: Es wäre nicht genug. Hinzukommen müssten, mehr als in vergangenen Jahrzehnten, Persönlichkeiten, die den demokratischen Parteien ein Gesicht geben. Alleine deren Programmatik war zwar auch früher nicht genug, um Wähler zu gewinnen. Aber seitdem politische Bindungen zerbröseln und Wählermilieus zerfallen, spielt eine noch viel größere Rolle als in vergangenen Zeiten, wer die jeweilige Partei repräsentiert.

Ein Beispiel: Dass die Grünen bei vielen Bürgern derzeit so gut ankommen, hat längst nicht nur mit ihrer Klimapolitik, sondern auch mit dem gewinnenden Auftreten ihrer beiden Vorsitzenden zu tun. Weil es immer riskant ist, Wohl und Wehe einer Partei an wenige Menschen zu koppeln, mag man diese Entwicklung bedauern - ignorieren können vor allem die etablierten Parteien sie nicht.

Groko-Ende rückt näher

Und die große Koalition? Das Ergebnis der beiden Wahlen im Osten wird wohl jene Sozialdemokraten bestärken, die ohnehin auf einen Ausstieg ihrer schwer gebeutelten Partei am Ende dieses Jahres hoffen. In der CDU wird sich die angeschlagene Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer selbst dann nicht groß stabilisieren können, wenn ihre Partei weiter die Regierung in Sachsen anführt.

Auch das lässt ein vorzeitiges Ende von Schwarz-Rot näher rücken. Eine Minderheitsregierung oder Neuwahlen mögen mit Blick auf die EU-Ratspräsidentschaft, die Deutschland 2020 übernimmt, und in Anbetracht der sich eintrübenden wirtschaftlichen Lage keine beruhigende Vorstellung sein. Beunruhigender als die Zukunft der großen Koalition ist allerdings, was dieser Wahlsonntag sonst noch zutage gebracht hat.

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