Sachsen-Anhalt:Kenia kommt

CDU, SPD und Grüne in Magdeburg einigen sich auf einen Koalitionsvertrag, Trotz Flüchtlingsstreits und Bauernproteste kommt es zu dieser "Vernunftehe"

Von Ulrike Nimz, Magdeburg

Die bundesweit erste schwarz-rot-grüne Koalition in Sachsen-Anhalt steht. Die Parteispitzen einigten sich am Dienstag endgültig auf den Koalitionsvertrag und die Ressortverteilung. SPD-Chef Burkhard Lischka nannte die Einigung eine "Vernunftehe". Es sei keine Liebe auf den ersten Blick gewesen. Die SPD spüre aber ihre Verantwortung. "Alles andere wäre für dieses Land eine Katastrophe." Bekannt wurden erste Personalien: So wird Grünen-Fraktionschefin Claudia Dalbert Umweltministerin und damit einzige Grünen-Ministerin im Kabinett. Das Ministerium für Wirtschaft und Wissenschaft soll um den Bereich Digitales ergänzt und von Finanzstaatssekretär Jörg Felgner (SPD) geleitet werden. Petra Grimm-Benne, ebenfalls SPD, bekommt den Posten der Sozialministerin. Innen-, Justiz-, Verkehrs-, Finanz- und Kultusministerium gehen an die CDU.

Die Verteilung der Ministerien war bis zuletzt heiß diskutiert worden. Während eines elfstündigen Sitzungsmarathons am vergangenen Freitag soll allein drei Stunden lang um die Ressorts gerungen worden sein. Die Grünen hatten zunächst zwei Ministerien beansprucht: Das Kultusministerium und das Umweltressort ohne den Landwirtschaftsbereich. Wohl ein Zugeständnis an die Bauern - kürzlich hatten in Magdeburg 500 Landwirte, Jäger und Forstleuten dagegen protestiert, den Grünen das Agrar- und Umweltministerium zu überlassen. An der Demo hatten auch einige CDU-Landtagsabgeordnete teilgenommen. Eine Trennung des Agrar- und Umweltressorts lehnt Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) jedoch ab. Stattdessen soll es nun um den Bereich Energie erweitert werden, der ursprünglich im Wirtschaftsministerium angesiedelt war.

Zuvor hatten sich die drei Parteien in Grundzügen auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Vor allem die leeren Haushaltskassen und ein Schuldenberg von rund 21 Milliarden Euro hatten einer Einigung im Weg gestanden. Trotzdem sollen nun zusätzliche Lehrer und Polizisten eingestellt und die Forschungsförderung an Hochschulen aufgestockt werden. Auch die Kommunen sollen mehr Geld erhalten - und zugleich soll die Haushaltsdisziplin gewahrt bleiben. Haseloffs erklärtes Ziel ist die schwarze Null. Die größten Unstimmigkeiten hatte es zuletzt in der Arbeitsgruppe "Integration, Stärkung der Demokratie" gegeben. Hauptstreitpunkt war die Flüchtlings-Obergrenze von 12 000 pro Jahr, die Haseloff im Landtagswahlkampf gefordert hatte. SPD, Linke und Grüne hatten den Ministerpräsidenten deswegen scharf kritisiert. Im Koalitionsvertrag soll nun ein Kompromiss gefunden worden sein: Wie die Magdeburger Volksstimme berichtet, einigten die Verhandlungspartner sich auf ein Integrations- und Teilhabegesetz. Darin geregelt: die "wechselseitigen Rechte und Pflichten im Integrationsprozess". Der Integrationswille von Flüchtlingen solle unterstützt, könne künftig aber auch verbindlich eingefordert werden. In den kommenden Tagen wollen CDU, SPD und Grüne den Koalitionsvertrag auf Parteitagen absegnen lassen. Am 25. April will sich Ministerpräsident Haseloff zur Wiederwahl stellen. Auch dann könnte es spannend werden. Im Landtag verfügt die "Kenia-Koalition" über 46 Stimmen, die Opposition über 41. Wenn nur drei Abgeordnete aus dem Koalitionslager gegen Haseloff stimmen sollten, wäre die Wahl zumindest im ersten Anlauf gescheitert. Ob Haseloff dann in einem späteren Wahlgang mit einfacher Mehrheit gewählt oder es zu einer Minderheitsregierung oder zu Neuwahlen kommen würde, ist unklar. Bereits bei der Wahl zum Landtagsvizepräsidenten hatte es Querelen gegeben, weil Teile der CDU offenbar für den Kandidaten der neu im Landtag vertretenen AfD gestimmt hatten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: