Sachsen-Anhalt:Eine wacklige Koalition gerät ins Trudeln

Innenminister Holger Stahlknecht (CDU,Sachsen Anhalt),Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU,Sachsen Anhalt),Parlamentar

Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht, Ministerpräsident Reiner Haseloff, der parlamentarische Geschäftsführer Markus Kurze und die Fraktionsvizes Ulrich Thomas und Lars-Jörn Zimmer (von links).

(Foto: Christian Schroedter/imago)
  • Im November blamierte sich die CDU in Sachsen-Anhalt mit dem gescheiterten Versuch, den umstrittenen Polizeigewerkschafter Rainer Wendt zum Staatssekretär zu ernennen.
  • Und seit ein paar Tagen nun macht der Fall Möritz die strukturellen Probleme des Landesverbandes deutlich sichtbar.
  • Dem Duo Haseloff/Stahlknecht gelingt es seit geraumer Zeit kaum noch, reaktionäre Gruppen in ihrer Partei nachhaltig zu beruhigen.

Von Cornelius Pollmer, Leipzig

Dafür, dass in diesem Jahr nicht einmal ein neuer Landtag gewählt wurde, war die CDU Sachsen-Anhalt erstaunlich präsent in allen möglichen Medien. Im Sommer wurde eine "Denkschrift" öffentlich, deren Autoren zum ehrlichen Entsetzen vieler fabulierten, es müsse wieder gelingen, "das Soziale mit dem Nationalen zu versöhnen". Im November blamierte sich die CDU mit dem gescheiterten Versuch, den umstrittenen Polizeigewerkschafter Rainer Wendt zum Staatssekretär zu ernennen. Und seit ein paar Tagen nun macht der sehr konkrete Fall Möritz die strukturellen Probleme des Landesverbandes deutlich sichtbar.

Dass aus dem 29-jährigen Physiotherapeuten und einfachen Kommunalpolitiker Robert Möritz eben jener Fall werden konnte, liegt auch an einem Eintrag bei Twitter. Möritz verteidigte darin das Grundlagenpapier seines Landesverbands und schrieb, dass der Islam mit den christlichen Werten, auf denen Deutschland ruhe, nicht zu vereinbaren sei. In der Folge wurde über Möritz bekannt, dass dieser 2011 als Ordner an einem Neonazi-Aufmarsch in Halle teilgenommen hatte, dass er dem zweifelhaften Verein Uniter angehörte, der im Verdacht steht, Teil eines rechtsextremen Netzwerks zu sein, und dass er Träger eines sehr speziellen Tattoos ist, das als Erkennungszeichen in der rechten Szene gilt.

Schwarze Sonne

Nach Angaben seines CDU-Kreisverbandes trägt Robert Möritz das Tattoo einer "Schwarzen Sonne" auf dem Arm. Das Motiv gilt in der rechten Szene als Ersatz für das verbotene Hakenkreuz und ist als Erkennungszeichen unter Neonazis beliebt. Es besteht aus zwölf in Ringform um einen schwarzen Kreis angeordneten Sieg-Runen. Angeblich geht es auf altgermanische Symbolik zurück, tatsächlich war die zwölfarmige Scheibe eine Schöpfung der Nationalsozialisten, es lässt sich aus drei übereinander gelagerten Hakenkreuzen erstellen und wurde in den Boden der von der SS als Kultstätte geplanten Wewelsburg bei Paderborn eingelassen. Die Schwarze Sonne ist nicht verboten. SZ

Danach entwickelte sich eine Krise der schwarz-rot-grünen Landesregierung in Magdeburg. Nach einer Anhörung von Möritz beschloss der Kreisvorstand ohne Gegenstimme, auf einen Ausschluss aus der Partei oder auch nur dem Gremium zu verzichten. Grüne und SPD kritisierten scharf, dass die CDU gegenüber Möritz keine Konsequenzen ziehe, dass sie dessen Distanzierung von der eigenen Vergangenheit zu willfährig glaube und dass dieser Mitglied im Kreisvorstand bleiben dürfe. Die CDU kritisierte insbesondere die Grünen für deren per Pressemitteilung verbreitete Frage: "Wie viele Hakenkreuze haben Platz in der CDU?"

Möritz wirft seinen Gegnern "typische Methoden von Diktaturen" vor

Zum konkreten Fall ist vom Dienstag zu notieren, dass Uniter den Austritt von Möritz bestätigte, den dieser am Sonntag erklärt hatte - nach Beginn der Debatte über ihn. Es ist zu notieren, dass Möritz über soziale Netzwerke verbreitete, "die politischen Gegner meiner CDU versuchen mit allen Mitteln unsere Partei zu beschädigen". Er sehe darin "typische Methoden von Diktaturen".

Zuspruch erhielt Möritz unter anderem von Kai Mehliß, der ebenfalls Mitglied der CDU Sachsen-Anhalts und Mitglied bei Uniter ist, wie der Spiegel zuerst berichtete. Zu notieren ist, dass der ehemalige CDU-Stadtrat Theo Schöpfel aus dem Landkreis Anhalt-Bitterfeld laut dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sogar Gründungsmitglied und stellvertretender Vorsitzender von Uniter war.

Es ist zudem zu notieren, dass sowohl Ministerpräsident Reiner Haseloff als auch der CDU-Landesvorsitzende Holger Stahlknecht mit Grundsatzaussagen versuchten, ihre Partei nach rechts abzugrenzen. Bezug nehmend auf das Tattoo von Möritz sagte Haseloff der Mitteldeutschen Zeitung, Hakenkreuze und die CDU, das gehe "ohne Wenn und Aber" gar nicht.

Weitere Beratungen wohl erst im Januar

Stahlknecht sagte der Süddeutschen Zeitung, "Rechtsextremismus und Nationalsozialismus haben keinen Platz in der CDU". Darüber hinaus kündigte die Parteiführung eine gemeinsame Sitzung mit allen Kreisvorsitzenden für kommenden Donnerstag an. Dort soll das weitere Vorgehen im Fall Möritz beraten werden. Der Landesvorstand wird sich allerdings aller Voraussicht nach erst im Januar mit der Causa befassen.

Ebenfalls vom Dienstag ist die Frage, ob dieses formal ordnungsgemäße Vorgehen einzuhalten sein wird. Denn wegen der Summe der genannten Ereignisse steht die Landesregierung weiter unter Druck. Für Sebastian Striegel jedenfalls, Co-Vorsitzender der Grünen in Sachsen-Anhalt, ist der Fall Möritz nicht beendet. Er sehe keine wirkliche Glaubwürdigkeit in dessen Distanzierung: "Der Mann ist ja nicht von sich aus mit seiner Vita um die Ecke gekommen, er ist enttarnt worden, dann hat er erst abgestritten, später gelogen."

Man müsse, sagt Striegel, sich auch einmal in Ruhe eine Frage stellen: "Hätten wir vor zehn Jahren ernsthaft diskutiert, ob man mit drei Hakenkreuzen am Arm Funktionär einer demokratischen Partei sein kann?" Er jedenfalls beobachte "seit dem Sommer ein permanentes Niederreißen von Brandmauern nach rechtsaußen", der CDU fehle es an Klarheit und einem inneren Kompass. Die Forderung aus Teilen des Landesverbandes nach einer expliziten Entschuldigung der Grünen für die Pressemitteilung mit der Hakenkreuz-Frage weist Striegel zurück. Er sehe dafür keine Notwendigkeit. "Es kann doch nicht sein, dass diejenigen, die auf den Schmutz hinweisen, sich entschuldigen müssen und nicht die, die ihn gemacht haben."

Finden die nächsten Landtagswahlen wie geplant erst 2021 statt?

Wer wie viel von welchem Schmutz macht in der CDU, ist auch eine der Fragen, die Henriette Quade beschäftigen, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken im Landtag sowie deren innenpolitische Sprecherin. Quade sagt, dass der sogenannte konservative Kreis in der Landes-CDU schon vor der Werte-Union gegründet worden sei und beide heute große Schnittmengen aufwiesen und zu großer Stärke innerhalb der Partei gekommen seien. Sie sagt, dass es auch kein Zufall sei, dass die Causa Möritz jetzt denselben Kreisverband betreffe, aus dem die "Denkschrift" im Sommer wesentlich mitgestaltet worden sei.

Tatsächlich gelingt es dem Duo Haseloff/Stahlknecht, an deren persönlicher Integrität auch unter den politischen Gegnern keiner ernsthaft Zweifel anmeldet, seit geraumer Zeit kaum noch, reaktionäre Gruppen in ihrer Partei nachhaltig zu beruhigen. Das Problem der CDU sei dabei, sagt Quade, "die fehlende inhaltliche Abgrenzung nach rechts und die Offenheit für rechtsextreme Positionen. Das können wir immer und immer wieder beobachten, und es wird immer absurder". Es gebe in der Partei einen "Mangel an Leuten, die Antifaschismus nicht nur als Problem betrachten, sondern als ihren Auftrag". Schließlich sagt die linke Politikerin, es brauche "dringend konservative Demokraten, die über den Kurs der CDU mitentscheiden".

So scheint es nicht ganz sicher zu sein, dass die nächsten Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt erst zum regulären Termin im Juni 2021 erfolgen. Von allen Seiten heißt es, man bemühe sich, aber die Kenia-Koalition werde "nicht um jeden Preis" fortgeführt. Gestartet war diese Koalition 2016 nach dem Wahlerfolg der AfD übrigens mit einem bemerkenswerten Slogan. Sie sah sich als "Bollwerk gegen rechts".

Zur SZ-Startseite
German Christian Democrats (CDU) Hold Federal Congress

Neonazi-Tattoo
:Warum die CDU-Spitze zu den Vorgängen in Sachsen-Anhalt schweigt

Kann ein Mann mit Neonazi-Vergangenheit und szenetypischem Tattoo in einem CDU-Kreisvorstand sitzen? Die Parteispitze ist zumindest besorgt.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: