Auspuff-AttackenHat Russland Sabotage an Autos in Deutschland befohlen?

Lesezeit: 3 Min.

Ziel der Bauschaum-Attacken auf Auspuffe waren Fahrzeuge in mehreren deutschen Städten.
Ziel der Bauschaum-Attacken auf Auspuffe waren Fahrzeuge in mehreren deutschen Städten. (Foto: Morris Pudwell)

Bei mehr als 270 Autos kleben Täter in vier Bundesländern Bauschaum in den Auspuff. Zunächst geraten Klimaaktivisten unter Verdacht – doch dann entdecken Ermittler andere Spuren.

Von Christoph Koopmann

Es ist eine merkwürdige Verbrechensserie, die da im Dezember Schlagzeilen macht: „Klima-Radikale attackieren Autos mit Bauschaum“ (Bild) oder „Habeck-Sticker und Bauschaum! Auto-Hasser unterwegs“ (B.Z.). In mindestens vier Nächten ziehen die vermeintlichen „Auto-Hasser“ los und verstopfen Auspuffrohre mit Bauschaum. An die Karosserien kleben sie Sticker mit einem Konterfei des Grünen-Kanzlerkandidaten Robert Habeck und dem Spruch: „Sei grüner!“ Die Polizei geht erst einmal davon aus, dass radikale Klimaaktivisten hinter den Attacken stecken. Ziemlich fleißige noch dazu: Mindestens 270 Autos soll es in diesen Nächten getroffen haben.

Fast zwei Monate später stellt sich heraus: Es könnte alles ganz anders gewesen sein. Offenbar haben hier nicht Klimaradikale zugeschlagen – sondern womöglich Saboteure im Auftrag des Kreml. Die Sicherheitsbehörden haben vier Tatverdächtige finden können, die ihre Instruktionen von einem Russen haben erhalten sollen. Ein entsprechender Bericht im Spiegel wird von den Ermittlern am Mittwoch bestätigt.

Der Fall passt ins russische Muster

Was jetzt über den Fall bekannt wird, passt in ein Muster, das Verfassungsschutz und Polizei seit einigen Monaten immer häufiger beobachten. Russische Geheimdienste setzen für Spionage- und Sabotageakte seltener als früher eigene Agenten ein, sondern heuern immer häufiger Personen in den Zielländern an, die für ein paar Hundert Euro die Aktionen starten. Deutsche Spionageabwehr-Experten sprechen inzwischen von „Wegwerf-Agenten“. In Bayreuth beispielsweise wurden vergangenes Frühjahr zwei Deutschrussen festgenommen, die im Auftrag russischer Dienste Militäreinrichtungen in Deutschland ausspioniert haben sollen, um Anschläge zu planen. Auch in anderen europäischen Ländern haben Polizei und Nachrichtendienste den Einsatz solcher Agenten bereits beobachtet.

Die Bauschaum-Aktion passe ins grundsätzliche Muster russischer Einflussoperationen, heißt es aus Sicherheitskreisen: Sabotageakte mit wenig Aufwand verüben und die Schuld dafür Klimaaktivisten oder Grünen in die Schuhe schieben, damit sich die Deutschen darüber aufregen und zerstreiten. Der Präsident des Bundesnachrichtendienstes, Bruno Kahl, beschrieb die Strategie aus dem Hause Putin Ende November in einem ARD-Interview folgendermaßen: „Er möchte unsere Gesellschaft durcheinanderbringen, er möchte Zweifel und Angst säen.“ Der Verfassungsschutz hat vor einigen Wochen davor gewarnt, dass vor allem Russland versuchen dürfte, mit gezielten Desinformationskampagnen die Bundestagswahl zu beeinflussen.

In dieser Hinsicht sei die Auspuff-Aktion wirklich bemerkenswert, sagt eine mit den Ermittlungen vertraute Person. Zuerst fällt in der Nacht auf den 9. Dezember mehreren Autobesitzern in Langenau bei Ulm auf, dass da etwas im Auspuff klebt, sie entdecken auch Sticker an ihren Fahrzeugen. In derselben Nacht trifft es mindestens 14 weitere Fahrzeuge in Blaubeuren, eine halbe Autostunde entfernt. In der Nacht darauf schlagen die Täter in Ulm und im nahe gelegenen Blaustein zu, verkleben allein auf dem Parkplatz der Donauhalle gut 25 Auspuffe. Und noch eine Nacht später, vom 10. auf den 11. Dezember, gibt es plötzlich auch Fälle in Berlin. In den Stadtteilen Niederschöneweide und Baumschulenweg trifft es in zwei nahe gelegenen Straßen im Südosten Berlins 90 Autos.

Der „Russe“ verspricht den angeheuerten Männern 100 Euro pro Auto

Keine 20 Autominuten entfernt fällt einer Polizeistreife in Schönefeld in jener Nacht um kurz nach zwei Uhr ein Transporter mit Ulmer Kennzeichen auf. Weil der Wagen verdächtig auf sie wirkt, kontrollieren sie die Insassen: ein Deutscher, ein Bosnier, ein Serbe, 17, 18 und 20 Jahre alt. Bei den Männern finden die Polizisten unter anderem: Bauschaum. Aber die Beamten denken sich nichts dabei, weil noch niemand die verklebten Auspuffrohre ein paar Kilometer weiter gemeldet hat. Sie lassen die drei ziehen.

Erst am nächsten Morgen, als sich Schönefelder bei der Polizei melden, weil sie ihre Autos nicht starten konnten, fällt der mögliche Zusammenhang auf. An 43 Autos findet sich Bauschaum. Die Ermittler stoßen auf die mögliche Verbindung zu den Fällen in und um Ulm – wo in der Nacht darauf noch einmal mindestens neun Autos mit Bauschaum verklebt werden. Insgesamt werden allein im Ulmer Raum 123 Fahrzeuge lahmgelegt. Die Brandenburger Polizei übermittelt den Kollegen in Baden-Württemberg die Namen der drei jungen Männer. Am 13. Dezember werden deren Wohnungen in und um Ulm durchsucht. Neben Smartphones und Laptops stellt die Polizei auch hier Bauschaum sicher.

Auf den Geräten der jungen Männer sollen sich nach Informationen aus Sicherheitskreisen Anhaltspunkte dafür gefunden haben, was hinter den Aktionen stecken könnte. Einer der Verdächtigen erzählt den Ermittlern schließlich, wie es gelaufen sei: Ein „Russe“ soll sie über den Messengerdienst Viber kontaktiert und ihnen Anweisungen für die Sabotage gegeben haben. Pro verstopftem und beklebtem Auto soll er den Männern 100 Euro versprochen haben, dafür sollten sie ihm Beweisfotos schicken. Der Spiegel berichtet, die Verdächtigen hätten schon mehrere Tausend Euro bekommen, in bar. Demnach sollen zwei der Männer Deutschland mittlerweile verlassen haben. Festgenommen wurden sie jedenfalls nicht.

Inwiefern die Kontaktperson der mutmaßlichen Saboteure, mit denen sie auf Russisch schrieb, tatsächlich mit russischen Geheimdiensten zu tun hat, sei noch nicht abschließend geklärt, heißt es aus Sicherheitskreisen. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Ulm teilte mit, man ermittle inzwischen gegen insgesamt vier Personen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Brandstiftungen an kritischer Infrastruktur
:Wie die mysteriöse Anschlagsserie die Münchner trifft

Die Feuerteufel schlugen nach neuesten Recherchen wohl schon fast 50 Mal zu. Einige Attacken beeinträchtigten den Alltag Tausender Menschen – und die Botschaft der Täter wird immer bedrohlicher.

SZ PlusVon Martin Bernstein

Lesen Sie mehr zum Thema

  • Medizin, Gesundheit & Soziales
  • Tech. Entwicklung & Konstruktion
  • Consulting & Beratung
  • Marketing, PR & Werbung
  • Fahrzeugbau & Zulieferer
  • IT/TK Softwareentwicklung
  • Tech. Management & Projektplanung
  • Vertrieb, Verkauf & Handel
  • Forschung & Entwicklung
Jetzt entdecken

Gutscheine: