Brandanschlag auf Asylbewerberheim:Rechtsextremisten unter sich

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Samuel Yeboah aus Ghana kam bei dem Brand ums Leben. (Foto: AFP)

32 Jahre nach dem Brand in einer Asylunterkunft in Saarlouis hat der Angeklagte ein Geständnis abgelegt. Er sei bei dem Brand dabei gewesen, aber das Feuer habe ein Kamerad gelegt. Wie glaubhaft ist das?

Von Gianna Niewel, Koblenz

32 Jahre sind vergangen seit dem Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim in Saarlouis. 32 Jahre, in denen nicht klar war, wer das Feuer gelegt hatte. Die Bewohner des Hauses wussten es nicht, von denen die meisten schliefen, während sich die Flammen ausbreiteten. Die Angehörigen von Samuel Yeboah wussten es nicht, Samuel Yeboah, der es nicht mehr aus seinem Zimmer schaffte. Die Treppe brannte, der Weg war versperrt. Yeboah starb im Krankenhaus, multiples Organversagen. Seine Haut war zu 90 Prozent verbrannt.

32 Jahre, und noch immer keine Klarheit.

Vor dem Oberlandesgericht Koblenz schaltete am Dienstag der Verteidiger von Peter S. sein Mikrofon an. Der Prozess gegen seinen Mandanten läuft seit November, die Generalstaatsanwaltschaft wirft ihm Mord aus rassistischen Motiven vor. Peter S. soll sich am 18. September 1991 mit zwei weiteren Mitgliedern der Saarlouiser Neonazi-Szene in einer Kneipe getroffen haben, dem Anführer der Szene Peter St. und dem Kameraden Heiko S. Einen Tag zuvor hatten in Hoyerswerda die rassistischen Ausschreitungen begonnen, der Kamerad soll gesagt haben, dass "auch hier mal so etwas brennen müsste". In der Nacht soll Peter S. dann das Feuer gelegt haben. Alleine.

Peter S. hatte die Tat bisher bestritten - was würde er jetzt erklären lassen?

Auf einmal schildert der Angeklagte einen anderen Hergang

Der Abend in der Kneipe soll stattgefunden haben, die drei Männer sollen sich über die Ausschreitungen im Osten unterhalten haben. Auf der Toilette habe Heiko S. den Angeklagten angesprochen, er habe eine Idee, sie sollten sich später am Bahnhof treffen. Nur sie beide. Nach dem Verlassen der Kneipe seien die Männer zunächst auseinandergegangen. Der Angeklagte habe sich mehrfach übergeben, vom Bier, vom Schnaps, habe dann wie verabredet am Bahnhof gewartet.

Von dort seien sie gemeinsam zu der Asylbewerberunterkunft gegangen, hätten "Randale" machen wollen. Heiko S. habe einen Benzinbehälter im Rucksack gehabt. An der Unterkunft hätten sie zunächst überlegt, Mülltonnen anzuzünden. Dann sei Heiko S. aber ins Haus gegangen, der Angeklagte sei ihm gefolgt, "ihm wurde klar, dass es nicht mehr um die Mülltonnen ging". Im Treppenhaus habe Heiko S. das Benzin vergossen und Feuer gelegt. Erst am nächsten Tag hätten die beiden Männer vom Tod von Samuel Yeboah erfahren, Heiko S. habe dem Angeklagten gesagt, das müsse "unter uns" bleiben.

Auf einmal soll der Angeklagte das Feuer nicht mehr gelegt haben - er soll nur dabei gewesen sein? Er soll aus Angst vor den Linken 32 Jahre geschwiegen haben, soll den Vorfall heute bereuen?

Ehemalige Polizeibeamte sagen, sie können sich kaum an die Ermittlungen erinnern

Die Einlassung bringt Bewegung in einen Prozess, der lange schleppend verlaufen war. Da saßen ehemalige Polizeibeamte, die sagten, sie könnten sich kaum an die Ermittlungen erinnern. Ein Beamter der Staatsschutzabteilung sagte, er könne sich nicht einmal daran erinnern, dass er Neonazis - darunter den Angeklagten - verhört hat. Nach dem Brand wurde nur acht Tage in der rechten Szene ermittelt. Da saß aber auch die Hauptbelastungszeugin Diana K., die die Ermittlungen überhaupt erst wieder ins Laufen gebracht hatte. Auf einer Grillfeier vor einigen Jahren soll der Angeklagte gesagt haben: "Das war ich, und sie haben mich nie erwischt." 2019 erstattete K. Anzeige, 2022 begann der Prozess.

Ende März hatte der Vorsitzende Richter dem Angeklagten dann einen Deal vorgeschlagen - und damit angedeutet, dass das Gericht eine Verurteilung für wahrscheinlich hält. Das Angebot: Wenn Peter S. ein umfangreiches Geständnis ablegt, könnte er mit einer milderen Strafe rechnen, bei einer Verurteilung nach Jugendstrafrecht wären das mindestens fünfeinhalb Jahre. Die Staatsanwaltschaft hatte daraufhin mindestens sechseinhalb Jahre gefordert.

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Die Verteidigung ging am Dienstag nicht auf den Deal ein, verlas stattdessen die Einlassung. Fragen beantwortete der Angeklagte nicht, nur so viel, den Satz auf der Grillfeier müsse die Zeugin wohl falsch verstanden haben.

Ein Vertreter der Nebenklage erklärte, die Einlassung entspreche nicht der bisherigen Beweisaufnahme, es blieben Zweifel. Wieso belastet der Angeklagte ausgerechnet den Kameraden, der 1994 aus der Szene ausgestiegen und zu den Linken gewechselt ist? Wieso entlastet er stattdessen den Szene-Anführer, den dritten Mann am Kneipentisch?

Nächste Woche wird der Prozess fortgesetzt, dann will das Gericht prüfen, wie glaubhaft die Aussagen des Angeklagten sind - und wie es nun weitergehen kann.

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