Saarlands Grüne:Umworben und gespalten

Oskar Lafontaine kehrt ins Saarland zurück - und gefährdet so die mögliche rot-rot-grüne Koalition. Die Grünen fürchten, der Linken-Chef könnte ein "Neben-Ministerpräsident" werden.

Marc Widmann, Saarbrücken

Falls Oskar Lafontaine die Grünen im Saarland gegen sich aufbringen wollte, hatte er am Freitag Erfolg. Die Fassungslosigkeit war Grünen-Landeschef Hubert Ulrich deutlich anzuhören: "Ich empfinde das als Affront", sagte Ulrich der Süddeutschen Zeitung. Lafontaine bringe sich als "Neben-Ministerpräsident" zum SPD-Vorsitzenden Heiko Maas ins Spiel.

Sollte er bei einem rot-rot-grünen Bündnis tatsächlich Fraktionschef der Linken im saarländischen Landtag bleiben, gebe es "ein permanentes Gerangel zwischen ihm und dem Ministerpräsidenten", sagte Ulrich. "Das ist eine unmögliche Konstellation. Da fällt mir nichts mehr ein."

Bisher hatten die Grünen im Saarland erwartet, dass Lafontaine sich demnächst fast ausschließlich um die Bundespolitik kümmern würde. Dass er nun den Fraktionsvorsitz in Berlin aufgibt und Ambitionen für das Saarland äußert, empört die Ökopartei. Dieser Zorn könnte sogar ein Linksbündnis unmöglich machen.

Grünen-Chef Ulrich hat bisher stets geschwiegen, welcher Koalition seine Partei zur Mehrheit verhelfen will: Rot-Rot-Grün mit SPD und Linken, oder einem Jamaika-Bündnis mit CDU und FDP. Am Sonntag soll nach wochenlangen Sondierungen ein Parteitag entscheiden - Lafontaines Einmischung kommt für die Grünen also zur Unzeit.

Auf drei internen Regionalkonferenzen hat Ulrich diese Woche laut Teilnehmern daran erinnert, wie Lafontaine im Wahlkampf "mit aller Gewalt" versucht habe, die Grünen aus dem Landtag zu kegeln. "Wer grün wählt, wird sich schwarz ärgern", lautete ein Slogan der Linken. Die Grünen antworteten: "Grün wählen - Oskar ärgern." Das persönliche Verhältnis zwischen Ulrich und Lafontaine gilt als verdorben. "Die Verletzungen, die sitzen", sagt der Grünen-Chef.

Und so vergrößert sich das Dilemma noch, vor dem die Grünen am Sonntag stehen. Beide Lager haben ihnen in den vergangenen Wochen praktisch alle Wünsche erfüllt. Die Linken gaben ihr Wahlversprechen auf, den Steinkohlebergbau an der Saar zu erhalten. Die FDP akzeptierte ein strenges Rauchverbot.

Am flexibelsten zeigte sich die CDU: Die Studiengebühren sollen fallen, echte Ganztagsschulen eingeführt werden, das gemeinsame Lernen in der Grundschule verlängert werden, zunächst wohl auf fünf Jahre. "Um 180 Grad" habe sich die CDU in manchen Punkten gedreht, sagt Klaus Kessler, der bildungspolitische Sprecher der Grünen. Er wird bereits als Kultusminister gehandelt. Denn neben einem Mammut-Ministerium für Umwelt, Energie und Verkehr wurde den Grünen von beiden Seiten gleich noch ein zweites der bisher sechs Ressorts angeboten.

Wohl noch nie hat eine 5,9-Prozent-Partei in Sondierungen so viel erreicht. Und so werden am Sonntag weniger inhaltliche Fragen entscheiden, sondern atmosphärische: Mit welchen Personen kann man besser? Welchem Bündnis traut man zu, dass es fünf Jahre lang hält? Ulrich lässt keinen Zweifel daran, dass die denkbaren Machtkämpfe zwischen Lafontaine und einem möglichen Ministerpräsidenten Maas für ihn klar gegen die Stabilität von Rot-Rot-Grün sprechen.

Entscheidende Empfehlung

Außerdem lösen zwei übergelaufene Landtags-Abgeordnete der Linken bei einigen Grünen ablehnende Gefühle aus. "Das ist für manche eine sehr emotionale Entscheidung", sagt Kessler, "manche wollen nicht, dass die Überläufer auf der Karriereleiter steigen." Das Argument, Lafontaine könne die unerfahrene Linken-Fraktion besser zusammenhalten, zieht bei der Ökopartei wenig.

Vorbehalte gibt es aber auch gegen ein Jamaika-Bündnis. Für viele Grüne ist eine Koalition mit der CDU schlicht der Sündenfall. Und Thomas Brück, der Vorsitzende des Kreisverbands Saarbrücken, warnt, man werde enttäuschte Wähler und Mitglieder verlieren, "wenn man die CDU noch mal in die Verantwortung hievt". Viele Alt-Grüne kämen zu ihm und drohten: "Dann ist für mich Schluss." So ist die Partei gespalten, ziemlich genau in der Mitte.

Entscheidend dürfte am Sonntag die Empfehlung von Hubert Ulrich sein. Er verfügt auf dem Parteitag über eine stattliche Hausmacht, denn sein Verband aus Saarlouis stellt etwa ein Drittel der Delegierten. Der 51-Jährige mit dem Spitznamen "Panzer" will sich aber erst am Sonntagmittag äußern, unmittelbar vor der Sitzung. Wie sehr die Zerreißprobe den Grünen zu schaffen macht, zeigt die Co-Vorsitzende Claudia Willger-Lambert. Die Entscheidung raube ihr den Schlaf, erzählt die Anwältin, "sie lässt sich auch nicht abduschen". Kürzlich fiel eine Frau fast auf die Knie vor ihr, um sie zu beschwören. So oder so wird es am Sonntag Enttäuschung geben, fürchtet sie. "Heftige Enttäuschung."

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