Saarland-Wahl: TV-Runde:Vier gegen Müller

Im TV-Schlagabtausch mit seinen Rivalen Lafontaine und Maas stellt Ministerpräsident Müller die Lage des Saarlandes allzu rosig dar - am Ende war er nicht mehr sehr präsidial.

Oliver Das Gupta

Kurz vor Schluss bricht es aus Peter Müller heraus: "Wir beschmeißen uns nicht mit Dreck", beteuert der saarländische Ministerpräsident und guckt dabei landesväterlich. Die Moderatorin Marie-Elisabeth Denzer hält dagegen: "Ihr bekämpft euch doch!"

Elefantenrunde Saarland Peter Müller

Versuchte die Attacken zu ignorieren: Saarlands Ministerpräsident Peter Müller (CDU, re.) in der "Elefantenrunde" mit (v.li.) Oskar Lafontaine (Linkspartei), Christoph Hartmann (FDP), Hubert Ulrich (Grüne) und Heiko Maas (SPD)

(Foto: Foto: dpa)

Die Journalistin hat recht: In der "Elefantenrunde", die vom Saarländischen Rundfunk am Donnerstagabend veranstaltet wird, fliegen bisweilen die Fetzen.

Am Schlagabtausch vor laufenden Kameras nehmen die Spitzenkandidaten der "etablierten Parteien" teil. Neben dem Grünen Hubert Ulrich und FDP-Mann Christoph Hartmann in den Nebenrollen handelt es sich bei den Protagonisten um Heiko Maas von der SPD, Linken-Chef Oskar Lafontaine und eben Ministerpräsident Müller.

Der Konservative hatte 1999 mit einem hauchdünnen Vorsprung die absolute Mehrheit bei der Wahl erreicht und die SPD abgelöst. Seitdem konnte er den allein regierenden kleinen König von der Saar geben, so wie es Oskar Lafontaine einst vor ihm getan hatte. Damals, als Lafontaine noch in der SPD war und ein Talent namens Heiko Maas förderte.

Der Sozialdemokrat und sein einstiger Mentor werden an diesem Abend Müller attackieren, jeder für sich, mit ähnlichen Argumenten, aber auf unterschiedliche Weise. Auch vom Grünen Ulrich kommt Kritik. Und sogar der Liberale Hartmann tadelt den Ministerpräsidenten: Vier gegen Müller - so ist das, wenn man alleine regiert.

Die beiden älteren Herren Müller und Lafontaine sitzen an diesem heißen Augustabend in einem noch heißeren Fernsehstudio auf dem Podium möglicht weit voneinander entfernt, Lafontaine linksaußen, Müller ganz rechts, der SPD-Konkurrent Maas links daneben.

Erstmal Schlämmer

Zu Beginn der Debatte wird ein Horst-Schlämmer-Spot eingespielt. Dann darf Peter Müller seine Arbeit lobpreisen: Ja, das Saarland sei eine "der dynamischten Regionen" der Republik, man sei "gut gerüstet" auch in der Krise und das Ziel sei die Vollbeschäftigung in diesem "liebenswerten Land".

Danach spulen die anderen Kandidaten ihre erwartbaren Stichwort-Kataloge herunter, wobei alle großen Wert auf Bildung legen. Maas erklärt, er wolle seine Heimat zum "Silicon Valley" Deutschlands machen. Das kannte man bisher nur von den selbstbewussten Sachsen.

Klingt alles recht nett und harmlos. Das denkt sich wohl auch Saar-Premier Peter Müller, die Kamera fängt sein überlegenens Lächeln ein, während er die Rivalen betrachtet.

Nun erhält Lafontaine das Wort. Der frühere saarländische Ministerpräsident sagt Dinge wie: "Zu meiner Amtszeit", "Kurzarbeitergeld nicht besteuern", "die Saarländer waren mal stolz darauf, Spitze in der Solartechnik zu sein." Müller schluckt. Nun lächelt er nicht mehr.

Der CDU-Mann erhält das Wort und sagt den erstaunlichen Satz: An den Ausführungen Lafontaines "hat mich überhaupt nichts gestört".

Brabbeln als Taktik

Die Diskussion dreht sich um saarländische Kohlekraftwerke, Zehntausende neue Arbeitsplätze, um Medizintechnik, auch um Stahl. Die Diskutanten bleiben die meiste Zeit bei Themen, die das strukturschwache Land wirklich beschäftigen, nicht einmal die Namen "Guttenberg", "Obama" und "Merkel" fallen.

Peter Müller Ministerpräsident Saarland CDU

Bemüht, präsidial zu wirken: Landesvater Peter Müller

(Foto: Screenshot: sueddeutsche.de / SR Fernsehen)

Die Ausnahme macht FDP-Kandidat Hartmann, ein geschniegelter junger Mann mit Föhnfrisur, auf dessen Stirn Schweißperlen zu sehen sind. Er beschwört das liberale Mantra: Steuersenkungen.

Der Kandidat zückt die Schautafel

Er wiederholt das noch ein paar Mal im Laufe des Abends, zwischenzeitlich fragen die Moderatoren, ob er auch eine politische Vision habe. Der Liberale Hartmann hat jedenfalls eine Schautafel, die er später ins Bild hält.

Dann fällt der Ton für ein paar Sekunden aus, später ist auch das Bild weg. Satellitenstörung wegen eines Unwetters, wird Co-Moderator Norbert Klein später erklären.

Als das Bild wieder da ist, hat sich das Binnenklima der Polit-Runde aufgeheizt: Das Thema ist nun Bildung, es geht um geschlossene Grundschulen und um Studiengebühren. SPD, Grüne und Linke wollen sie abschaffen und geißeln Schulschließungen.

Ministerpräsident Müller wirkt nun nicht mehr ganz so präsidial. Er redet merklich aufgeregter, beharkt sich vor allem mit Maas. Der piesackt ihn nach der Methode Gerhard Schröder: Wie einst der SPD-Bundeskanzler den Redefluss seines Rivalen Edmund Stoiber beim TV-Duell störte, so brabbelt Maas zu Müllers Ausführungen ins Studio hinein. "Stimmt gar nicht", nuschelt er, auch "Uiuiui." Das ist uncharmant, aber wirkungsvoll: Müller wirkt genervt.

Als der Ministerpräsident schließlich von der "Qualität der Bildungspolitik" seiner Regierung spricht, fallen ihm alle ins Wort. Nun geht es um Namen von Grundschulen, die geschlossen und wiedereröffnet wurden. Maas zählt eine Reihe auf, bis ihn die Moderatorin ("Herr Maas, bitte"!) stoppt.

"Lügt er schon wieder!"

Lafontaine ist bislang relativ ruhig geblieben. Der frühere SPD-Chef, der auf eine rot-rote Koalition hinarbeitet, hat die oberen Knöpfe seines Hemdes geöffnet, er wirkt entspannt und wartet meistens brav, bis man ihm das Wort erteilt. Beim Stichwort Schulschließungen setzt er seine gezielte Attacke auf Müller: "Lügt er schon wieder!".

Müller scheint sich einen Moment zu überlegen, ob er grollen soll. Er schluckt die Provokation. Es kommt nicht gut im Fernsehen, wenn man sich echauffiert. Dann lieber cool bleiben.

Lafontaine schenkt inzwischen auch dem chronisch gut gelaunten FDP-Kandidaten Hartmann ein: Als der erklärt, er wolle die Landesfinanzen mit Hilfe von Steuererleichterungen, der Bekämpfung von Schwarzarbeit und dem Verzicht auf ein milliardenschweres Tunnelprojekt konsolidieren, spottet der Linken-Chef: "Herrn Hartmann würde ich sofort zum Finanzminister machen."

Leben mit 500 Euro Rente

Zuschauerfragen werden vorgelesen: Eine 88 Jahre alte Frau schildert, wie sie mit etwas mehr als 500 Euro Rente im Monat leben muss. Eine Steilvorlage für Lafontaine, der von skandalösen Verhältnissen spricht, Maas erklärt, das Rentensystem müsse "grundsätzlich überarbeitet" werden, FDP-Kandidat Hartmann spricht von "Diskriminierung" und plädiert dafür, dass künftig die Finanzämter die Stütze auszahlen.

Christdemokrat Müller hingegen zeigt Unverständnis. Die alte Dame solle sich die Grundsicherung holen, nein, ein Gang zum Sozialamt sei doch nicht schlimm. So spricht einer, der wenig Ahnung davon hat, wie sehr das Kainsmal der Armut schmerzt.

Am Ende darf sich Peter Müller freuen: Die neuesten Umfragewerte des Instituts Infratest dimap werden vorgelesen. Seine saarländische CDU käme danach auf 38 Prozent, die SPD nur auf 26 Prozent, die Linke erhielte 15 Prozent. Die FDP erreicht neun Prozent, die Grünen landen bei sechs Prozent.

Damit lägen Schwarz-Gelb und Rot-Rot-Grün gleichauf, das bürgerliche Lager hat im Vergleich zur vorherigen Erhebung dazugewonnen.

SPD-Kandidat Maas erklärt, er wolle mit Grünen und FDP reagieren. Der Liberale Hartmann weist daraufhin, dass die Umfragewerte nicht zu einer Ampelkoalition reichen würden. Peter Müller hat vermutlich genau hingehört - ein knallhartes Ampel-Dementi klingt anders.

Vorsorglich lässt der CDU-Mann am Ende der Sendezeit noch eine Suada auf Rot-Rot ab. Sympathischer macht ihn das sicherlich nicht.

Von Franz Müntefering stammt der Spruch: "Wer mit wem duscht, weiß man erst nach dem Spiel." Gesagt hat das der SPD-Chef mit Blick auf die Bundestagswahl - und solche Weisheiten gelten selbstverständlich auch für die Landtagswahl im Saarland am 30. August.

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