Süddeutsche Zeitung

Saarland:Ostermanns ganz große Koalition

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"Wie in einer Bananenrepublik": Ein Saarbrücker Unternehmer beschäftigt zahlreiche Politiker - bald auch einen Untersuchungsausschuss?

Marc Widmann

Es war der erste Auftritt von Oskar Lafontaine nach seiner Operation, und er war sichtlich geladen. "Im Saarland herrschen Zustände wie in einer Bananenrepublik", rief er diese Woche beim Neujahrsempfang der Linken. Nun sei erwiesen, "dass sich wohlhabende Bürger Politik kaufen können".

Damit meinte er nicht nur die Millionenspende aus der Hotelbranche an die FDP. Sondern auch eine vermeintliche Affäre, die seit Wochen das kleine Saarland umtreibt: Welchen Einfluss hat der Saarbrücker Unternehmer Hartmut Ostermann auf die Jamaika-Koalition?

Der Besitzer von Deutschlands größter Pflegeheimkette "Pro Seniore" und der Hotelkette "Victor's" beschäftigt fast 11.000 Mitarbeiter. Dabei bewies er einiges Geschick, denn zu seinen Angestellten zählt auch eine Reihe einflussreicher Saar-Politiker. So mancher im Saarland bezweifelt, dass Ostermann sie ohne Hintergedanken auf die Gehaltsliste genommen hat.

"Eine plumpe Diffamierungskampagne der Opposition"

Schließlich hatte seine verschachtelte Firmengruppe in den vergangenen Jahren häufiger Ärger mit der Staatsanwaltschaft. Einen handfesten Skandal witterten SPD und Linke, seit unlängst eine pikante Entscheidung bekannt wurde: Fünf Steuer-Ermittlungsverfahren gegen Ostermann hat die Saarbrücker Staatsanwaltschaft ausgerechnet am 23.Oktober eingestellt - als die Verhandlungen über eine neue Jamaika-Koalition gerade voll im Gang waren.

An diesen Gesprächen war Ostermann aktiv beteiligt, denn der 58-Jährige macht gerne selbst Politik. Als Kreisvorsitzender der Saarbrücker FDP saß er im exklusiven Verhandlungsteam, das mit CDU und Grünen das Regierungsbündnis aushandelte. Gleich zwei ehemalige Angestellte saßen ihm dabei gegenüber: Der grüne Landeschef Hubert Ulrich, der über Jahre nebenbei in der IT-Beratungsfirma "Think&Solve" jobbte. Sie gehört Ostermann zu einem Viertel. Und der damalige Innenminister Klaus Meiser (CDU). Er arbeitete sieben Jahre als Manager in Ostermanns Gruppe. Heute führt er die CDU-Fraktion an der Saar.

Meiser nennt die Aufregung um Ostermann "eine plumpe Diffamierungskampagne der Opposition". Schließlich seien die Ermittlungen eingestellt worden, "weil alles ordnungsgemäß war". Politische Einflussnahme habe es nicht gegeben. Und einem Abgeordneten sei es "rechtlich ausdrücklich erlaubt, ein berufliches Standbein zu haben". Auch Ulrich nennt die Vorwürfe "lächerlich".

"Der Pate von Saarbrücken"

Die Linke im Landtag will dagegen im Februar einen Untersuchungsausschuss mit der Frage befassen, ob Ostermann politische Deckung erhielt. Die SPD zieht mit, obwohl sie wegen des Steuergeheimnisses bezweifelt, dass viel herauskommt. Landeschef Heiko Maas verspottet die Regierung gerne als "Geschäftsmodell von Ostermanns Gnaden".

Manche nennen Ostermann den "Paten von Saarbrücken". Seine Vorliebe für schwarze Hemden und dunkle Sonnenbrillen ist diesem Bild nicht gerade abträglich. Er sitzt auch im mächtigen Koalitionsausschuss, wo sich das Jamaika-Bündnis berät. In seinem Netzwerk finden sich Politiker aller Couleur, außer der Linken. Da ist zum Beispiel der über eine Affäre gestürzte frühere SPD-Oberbürgermeister von Saarbrücken, Hajo Hoffmann. Er leitet einen "Zukunftsbeirat" von Pro Seniore und hält Vorträge.

Gleich mehrere Angestellte hat Ostermann in seiner eigenen Partei, der FDP. So arbeitet der Fraktionschef im Stadtrat von Saarbrücken, Friedhelm Fiedler, in der Geschäftsleitung von Pro Seniore. Ostermanns Pressesprecher Peter Müller ist FDP-Chef im einflussreichen Saarpfalz-Kreis. Auf der Internetseite der Partei nennt er als E-Mail-Adresse: peter.mueller@victors.de. Seine Hotelkette Victor's nutzte Ostermann laut Rechenschaftsbericht 2007, um der FDP 16.000 Euro zu spenden. Ein langjähriges Mitglied klagt, Ostermann habe die Partei schlicht "übernommen".

"In Köpfe investieren!"

"Er hat nicht mal ansatzweise versucht, mich zu beeinflussen", sagt Kreisvorstand Müller. Für ihn hat Ostermanns Anziehungskraft auf Politiker ganz andere Gründe: "Das Saarland ist tatsächlich so klein, dass man sich kennt, sich sieht und sich hilft." Einen Interessenskonflikt? Den kann auch Sebastian Pini nicht erkennen. In der Saarbrücker FDP dient er unter Ostermann als Schatzmeister.

Jetzt ist er als Staatssekretär im Gesundheitsministerium zugleich zuständig für die neue "Stabsstelle demographischer Wandel". Dort laufen "wohl auch viele Interessenslagen des Altenheim-Unternehmers Ostermann auf", kritisiert SPD-Generalsekretär Reinhold Jost.

Tatsächlich konnte Ostermann bislang keine politische Vorteilsannahme nachgewiesen werden. Hilfreich gewesen wäre sie wohl schon öfters: Im Jahr 2002 saß er sogar für einige Tage hinter Gittern, der Vorwurf lautete auf Steuerhinterziehung von 17 Millionen Euro. Seine Firma korrigierte ihre Steuerdaten gerade noch rechtzeitig. So kam er straffrei davon. Aktuell ermittelt die Mannheimer Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen des Verdachts der Untreue.

Der Selfmade-Millionär fühlt sich indes zu Unrecht attackiert und greift bisweilen selbst in die Tasten, um seine Meinung zu verbreiten. Im Wahlkampf schrieb er 2009 einen Kommentar für das FDP-Werbeblatt Argumente. Der Titel offenbart, was Hartmut Ostermann unter einer cleveren Strategie versteht. Er heißt: "In Köpfe investieren!"

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SZ vom 22.01.2010
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