Saarland:Antifaschist in Uniform

Polizeiuniformen Saarland

Das Beamtengesetz verbietet Polizistinnen und Polizisten, sich politisch zu äußern, wenn sie Uniform tragen.

(Foto: Oliver Dietze/picture alliance)
  • Nach dem Anschlag von Hanau beschuldigt David Maaß die AfD in einem Facebook-Post, "eine der geistigen Brandstifterinnen des Rechtsextremismus" zu sein - und bekommt zehntausend Likes.
  • Das Problem: Auf dem Foto trägt er seine blaue Polizeiuniform.
  • Das löst im Saarland eine Debatte aus - und Maaß muss zum "Sensibilisierungsgespräch" mit dem Landespolizeipräsidenten.
  • Dabei sieht er bei der Polizei in dem Bundesland ganz andere Probleme.

Von Gianna Niewel

David Maaß schrieb bei Facebook, er sei ein Antifaschist, daneben postete er ein Foto von sich: Die Haare zur Seite gegelt, die Arme verschränkt, er schaut starr in die Kamera. Trotzig. Sein Text ging weiter, die Gesellschaft müsse sich solidarisieren, ein klares Zeichen gegen den Terror setzen. "Die AfD ist eine der geistigen Brandstifterinnen des Rechtsextremismus; sie ist keine Alternative, sondern eine Schande für Deutschland!"

Maaß hatte im Fernsehen die Bilder aus Hanau gesehen, die Shisha-Bars, die Flatterbänder, weiße Lilien und rote Grablichter. Zehn Menschen ermordet. Wann hört das endlich auf? Das war die Stimmung, in der er am 22. Februar den Post schrieb.

Nach ein paar Stunden hatte der 30 Likes. Dann hundert, dann tausend, dann zehntausend. Und David Maaß ein Problem: Auf dem Foto trägt er seine blaue Polizeiuniform. Im Saarland diskutierten sie in den Tagen danach über Corona. Natürlich. Aber es ging auch um eine andere Frage: Darf David Maaß das?

Innenminister Klaus Bouillon von der CDU sah in dem Post einen Verstoß gegen das Beamtengesetz, das Polizistinnen und Polizisten verbietet, sich politisch zu äußern, wenn sie Uniform tragen.

Der Fraktionsvorsitzende der SPD sah das anders. In der Saarbrücker Zeitung sagte Ulrich Commerçon, für "anständige" Beamte sei klar, dass sie sich gegen eine Partei äußern müssten, die sich "mit Nazis gemein macht". Zur Not auch in Uniform. Die Linke sagte, sie stimme zwar mit dem Inhalt überein, aber bitte nicht in Uniform.

Es ging dann um das Neutralitätsgebot für Polizistinnen und Polizisten und ob das dort strenger ist als in anderen Bundesländern. Wenn man es lockern würde - was würde das für Posts bedeuten, die sich nicht gegen die AfD richten, sondern von den Rechten kommen? Im Saarbrücker Landtag redeten sie vom "Fall David Maaß". Und davon, wie politisch Beamte sein dürfen.

Gespräch mit dem Landespolizeipräsidenten über ihre Rechtsauffassungen

Nun hat der 35-Jährige nicht nur Jura studiert, bevor er bei der Polizei anfing und von der Inspektion in Köllerbach aus Streife fuhr durch Riegelsberg, Heusweiler, Püttlingen. Er ist auch Landesvorstand der Gewerkschaft der Polizei. Er kennt seine Rechte und war sicher, dass das Grundgesetz ihn stärker schützt als einen normalen Polizeikommissar. Artikel 9, Koalitionsfreiheit. So war es dann auch.

Die Dienstaufsichtsbeschwerden gegen ihn wurden geprüft, die Strafanzeigen auch, vor ein paar Tagen musste er zu einem "Sensibilisierungsgespräch" mit dem Landespolizeipräsidenten. Eine Stunde lang hätten sie sich über ihre jeweilige Rechtsauffassung unterhalten, mehr will David Maaß nicht sagen. Nur so viel: "Ich habe dagegengehalten."

Überhaupt findet er es wichtig, dagegenzuhalten. Schon seit einiger Zeit beobachte er, wie sich gerade im Internet die Dinge verschieben. Wie Unsagbares wieder gesagt wird. All die Lügen, all der Hass. "Wir dürfen den Rechten nicht die sozialen Netzwerke überlassen", sagt er am Telefon, weil diese Sprache Wirklichkeit schaffe.

Maaß würde lieber über den Inhalt des Tweets sprechen

In Kassel erschießt ein Rechtsextremist den Regierungspräsidenten. Dann der Anschlag auf die Synagoge in Halle, die Morde in Hanau, die Abstände werden kürzer. Auch deshalb verstehe er nicht, wieso sich noch immer so viele darüber unterhalten, ob der Post rechtmäßig ist oder nicht.

Ihm wäre es lieber, wenn es um dessen Inhalt ginge. Oder zumindest um andere Themen, die für ihn wichtig sind. Im Saarland etwa arbeiten gerade 2344 Polizistinnen und Polizisten - 1991 waren es noch 3400. Und die haben gerade genug damit zu tun, Streife zu fahren und zu schauen, ob Jugendliche im Saarbrücker Ludwigspark lungern, ob Wanderer sich in Orscholz an der Cloef drängen, um dicht an dicht die Saarschleife zu schauen, die Burg Montclair zwischen Baumspitzen.

Was ist in zwei, drei Wochen, wenn vielleicht in einer Polizeiinspektion ein Corona-Fall aufgetreten ist - wenn aus wenigen Streifen noch weniger werden? David Maaß ist jemand, dessen Stimme auch ruhig klingt, wenn ihn etwas stört.

Sein Post hat mittlerweile 34 680 Likes, wurde 11 472 Mal geteilt und 46 745 Mal kommentiert. Die meisten Kommentare sind zustimmend, wegen einzelnen ermittelt der Staatsschutz. Nach dem Sensibilisierungsgespräch hat er ihn verändert. Nicht die Sätze, kein einziges Wort. Er hat nur das Foto von sich in Polizeiunform gelöscht.

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Günther Kugler betreut als Sozialarbeiter in Hanau Jugendliche, die den rassistischen Anschlag am 19. Februar überlebt haben. Im Coronatagebuch erzählt er, warum der Versuch, dieses Trauma zu bewältigen, jetzt fast unmöglich ist.

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