Süddeutsche Zeitung

Heiko Maas im Interview:"Wir fangen mit dem Sparen oben an"

Es ist seine letzte Chance: Heiko Maas will im dritten Versuch endlich Ministerpräsident des Saarlandes werden. Im SZ-Interview spricht der Spitzenkandidat der SPD über sein schwieriges Verhältnis zu Oskar Lafontaine, erklärt, warum er eine große Koalition will und trotzdem die Union kritisiert - und was er den Piraten zutraut.

Michael König

Heiko Maas, 45, steht der wichtigste Tag in seiner Karriere bevor: Am kommenden Sonntag entscheidet sich, ob er im Saarland regieren wird. Der Jurist ist seit 2000 Vorsitzender der Saar-SPD und bereits zum dritten Mal Spitzenkandidat. Die Wahl gilt als seine letzte Chance, Ministerpräsident zu werden.

SZ: Herr Maas, erinnern Sie sich, wie Sie vom Bruch der Jamaika-Koalition im Saarland erfahren haben?

Heiko Maas: Ich saß mit Mitarbeitern im Büro, als mich die Nachricht erreichte. Ich hatte mich etwas legerer angezogen an diesem Tag und musste dann recht schnell nach Hause, um das zu ändern. Es war ja klar, dass ein Pressekonferenz-Marathon folgen würde.

SZ: Waren Sie überrascht?

Maas: Der Zeitpunkt an sich war überraschend, das Ergebnis selbst nicht. Es war nur eine Frage der Zeit, bis Jamaika enden musste. Wir waren davon ausgegangen, dass es einige Tage später krachen würde, wenn sich die Regierungsfraktionen im Koalitionsausschuss begegnet wären.

SZ: Sie treten zum dritten Mal als Spitzenkandidat an. Es ist vermutlich Ihre letzte Chance, Ministerpräsident zu werden. Spüren Sie einen besonderen Druck?

Maas: Es ist diesmal vor allem ein besonders guter Wahlkampf. Ich habe ja den Vergleich aus zwei vorherigen und kann sagen, dass ich noch keinen erlebt habe, in dem die Mobilisierung in und um die SPD herum so hoch gewesen ist.

SZ: Sie haben sich auf eine große Koalition festgelegt. Ist das auch eine persönliche Konsequenz aus den gescheiterten Versuchen 2004 und 2009?

Maas: Nein, das ist die Konsequenz aus dem, was in der Sache möglich ist und was nicht. Wer im Saarland regiert, steht vor der enorm großen Herausforderung, in einem Land mit extremer Haushaltnotlage die Schuldenbremse einzuhalten. Das macht viele unangenehme Maßnahmen notwendig. Die sind nur mit Partnern möglich, die sich dieser Herausforderung nicht verweigern. Genau das tun aber die Linken, die sagen, man könne weiter Schulden machen. Das betrachte ich nicht als eine Basis, auf der man gemeinsam vernünftige Politik machen kann.

SZ: "Sparen, aber gerecht", ist Ihr Motto. Wie soll das gehen?

Maas: Die Jamaika-Koalition hat Regierung und Apparate aufgeblasen. Mit zwei Ministern mehr, inklusive zwei Staatssekretären in den Ministerien. Gleichzeitig hat die Koalition den Leuten erzählt, sie müssten jetzt alle sparen. So funktioniert das nicht. Deshalb werden wir beim Sparen oben anfangen: Wir werden mit weniger Ministern auskommen und ihre Versorgung überprüfen. Es wird keine Doppelbesetzung von Staatssekretären mehr geben. Auch muss man in einem Land, in dem 2030 laut Prognosen nur noch 800.000 Einwohner leben, mit einem schlankeren und effizienteren öffentlichen Dienst auskommen.

SZ: Gleichzeitig versprechen Sie bessere Bildung. Wie passt das zum Sparkurs?

Maas: Wir haben stets klargemacht, dass dieser Bereich von den Sparmaßnahmen ausgenommen bleibt. Die Prognose von 20 Prozent weniger Schülern darf nicht dazu führen, dass in gleichem Maße Lehrer eingespart werden. Die sogenannte demographische Rendite soll erhalten bleiben. So kommen wir unserem Ziel näher, kleinere Klassen und weniger Unterrichtsausfall zu haben. Auch der Einstieg in den Ausbau echter Ganztagesschulen ist realisierbar.

SZ: Sie haben sich für die Aussetzung der Rente mit 67 ausgesprochen, obwohl das viele in Ihrer Partei anders sehen. Warum?

Maas: Ich will, dass die Rente mit 67 ausgesetzt wird, solange es nicht genügend Arbeitsplätze für ältere Arbeitnehmer gibt. Viele ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer arbeiten hart - und haben bei Arbeitslosigkeit doch keine Chance mehr auf dem Arbeitsmarkt. Und wer 45 Jahre gearbeitet hat, muss ohne Abschläge in Rente gehen können. Das ist eine Frage der Fairness.

SZ: In Nordrhein-Westfalen ist die SPD als Regierungspartei soeben an ihrer Haushaltspolitik gescheitert. Droht sich das für Sie negativ auszuwirken?

Maas: Nein, ich habe eher den Eindruck, dass unsere Wahl jetzt noch wichtiger geworden ist. Jetzt gibt es drei Landtagswahlen, und wir sind die erste, bei der alle darauf achten: Schafft es die SPD, in mehr Ländern den Ministerpräsidenten zu stellen? Fliegt die FDP tatsächlich aus allen drei Landtagen raus? Wenn das alles zutrifft, dann hat Frau Merkel ein Problem.

SZ: In den Umfragen liegt die SPD im Saarland nur knapp vor der Union. Was passiert, wenn Sie doch nur Zweiter werden?

Maas: Wir setzen alles daran, Erster zu werden, und es sieht ja auch gut aus. Und ansonsten bleiben wir dabei, was wir vor der Wahl gesagt haben: Wir wollen eine große Koalition anführen. Wenn das nicht gelingt, dann werden wir nicht anfangen, neue Koalitionsmodelle zu überprüfen.

SZ: So neu wäre eine Koalition mit den Linken nicht, schließlich haben Sie sich 2009 dafür interessiert.

Maas: In der Zwischenzeit hat sich aber einiges verändert. Wir müssen die Schuldenbremse einhalten. Weil sie im Grundgesetz steht, aber auch weil wir jedes Jahr Bundeshilfen in Höhe von 260 Millionen Euro bekommen. Vorausgesetzt, wir sparen in den kommenden Jahren pro Jahr rund 65 Millionen Euro ein. Wenn wir das nicht machen, wie die Linkspartei das für sich entschieden hat, dann verlieren wir den Anspruch auf die Bundeshilfen. Das wäre ein ganz schlechtes Geschäft, denn es würde dazu führen, dass wir die wenigen politischen Spielräume, die wir noch haben, auch noch verlieren. Deshalb ist das nicht zu verantworten.

SZ: In der Vergangenheit scheiterte die Zusammenarbeit mit der Linken auch an Oskar Lafontaine. Wie würden Sie Ihr persönliches Verhältnis zu Lafontaine beschreiben?

Maas: Unser Verhältnis ist so, wie es unter Konkurrenten üblich ist. Es macht keinen Sinn, sich an persönlichen Befindlichkeiten aufzuhalten, sondern es geht um die Sache. Lafontaine will auch gar nicht an die Regierung. Er sagt, er wolle im kommenden Jahr entscheiden, ob er nach Berlin geht. Wir wissen hier alle, dass es so kommen wird. Er will dort für den Bundestag kandidieren, er ist schon wieder auf der Flucht.

SZ: Ohne Lafontaine wäre eine Zusammenarbeit womöglich leichter.

Maas: Noch einmal: Es geht nicht um Personen, sondern um die Position der Linkspartei. Die wird ohne Lafontaine nicht besser werden. Wenn man nicht bereit ist, die finanziellen Realitäten anzuerkennen, ist man auch nicht bereit für Regierungsverantwortung. Rot-Rot ist definitiv ausgeschlossen.

SZ: Oskar Lafontaine hat sich im SZ-Interview wohlwollend über Sie geäußert. Er habe Sie nicht umsonst einst zum Staatssekretär gemacht. Können Sie etwas Nettes über ihn sagen?

Maas: (überlegt lange) Ich würde nie bestreiten, dass er ein außerordentlich guter Redner ist.

SZ: Zwischen Annegret Kramp-Karrenbauer und Ihnen hat es in der Vergangenheit Missverständnisse gegeben. Mittlerweile sollen Sie sich sehr gut verstehen.

Maas: Wir haben eine konstruktive Ebene gefunden, auf der man miteinander umgeht. Dass jetzt Unterschiede betont werden, ist in einem Wahlkampf ganz normal.

SZ: Welche Unterschiede? Frauenquote, gute Bildung, stabile Verhältnisse - dafür stehen Sie und das will auch die CDU.

Maas: Das stimmt, aber dann sollte man doch gleich das Original wählen. Die SPD vertritt diese Positionen seit Jahren. Und die CDU hat in den vergangen zwölf Jahren, in denen sie den Ministerpräsident gestellt hat, überhaupt nichts gemacht. Weder zum Mindestlohn, noch gegen den Missbrauch der Leiharbeit, auch kein echtes Tariftreuegesetz. Wenn das für die Union jetzt ein Thema wird, ist das einerseits schön für uns, weil es leichter wird, diese Dinge nach der Wahl umzusetzen. Andererseits sind das klar erkennbare Wendemanöver, auf die viele Saarländer nicht reinfallen werden.

SZ: Frau Kramp-Karrenbauer muss sich vor einem Untersuchungs-Ausschuss verantworten. Es geht um die Kostenexplosion beim Saarmuseum. Droht das die Zusammenarbeit zu belasten?

Maas: Im U-Ausschuss ist schon klargeworden, dass die Öffentlichkeit in die Irre geführt worden ist. Trotzdem ist auf politischer Ebene nichts passiert. Museumsdirektor und Projektmanager wurden zur Verantwortung gezogen. Aber was ist mit denen, die über das Personal die Aufsicht hatten? Am Sonntag wird es auch darum gehen, nicht gezogene Konsequenzen seitens der CDU zu ahnden. Wer als Wähler der Auffassung ist, dass die Ministerpräsidentin nicht im Amt bleiben kann, weil sie auf diese Weise gehandelt hat, kann einen anderen Kandidaten wählen.

SZ: Sie kritisieren Kramp-Karrenbauer und fordern in Ihrem Wahlprogramm "mehr Ehrlichkeit in der Politik". Dennoch wollen Sie mit der CDU koalieren. Wie passt das zusammen?

Maas: Wir für unseren Teil werden alles umsetzen, was wir versprochen haben. Das ist die Ehrlichkeit, die wir versprechen. Wie das bei den anderen ist, werden die Wähler zu beurteilen haben. Im Übrigen wäre die Koalition mit der CDU keine Liebesheirat, sondern eher eine Zwangsehe - zu der es angesichts der Probleme im Land keine Alternative gibt.

SZ: Ist Ihr Motto "mehr Ehrlichkeit" auch ein Zugeständnis an die Piraten? Die haben mit ihrem Transparenz-Versprechen schließlich einigen Erfolg.

Maas: Transparenz ist schon lange unser Anliegen. Die Bürger sind mündig genug, um sich selbst ein Bild zu machen über alle möglichen Themen. Ich bin außerdem der Meinung, dass wir es zu mehr Bürgerbeteiligung bringen müssen im Saarland. Wir wollen, dass es hierzulande künftig auch Volksbegehren und Volksentscheide gibt. Die sind nach der aktuellen Verfassungslage zwar theoretisch möglich, aber so weit eingeschränkt, dass sie praktisch nie stattgefunden haben. Das letzte Mal war 1955. Insofern ist das für mich ein Thema: mehr Transparenz und mehr Bürgerbeteiligung, um die Bürger über Sachfragen entscheiden zu lassen.

SZ: Was trauen Sie den Piraten zu bei der Wahl?

Maas: Bei den Piraten und den Grünen wird es ein knappes Rennen. Wenn, dann schafft es nur einer von beiden. Bei den Grünen ist das dann der Fluch der bösen Tat - bei der Glaubwürdigkeit sind sie unten durch. Viele Wähler haben ihnen nicht verziehen, dass sie mit CDU und FDP zusammengearbeitet haben. Mein Appell an die grünen Wählerinnen und Wähler: Wenn Sie wollen, dass in der künftigen Landesregierung Themen wie Nachhaltigkeit und Ökologie nicht zu kurz kommen, müssen Sie jetzt SPD wählen.

SZ: Wie würde sich die politische Kultur durch den Einzug der Piraten ändern?

Maas: Das wir man sehen. Das wird von den Piraten abhängen, ob sie ihren eigenen Ansprüchen genügen. Ich glaube nicht, dass sich dann so dramatisch viel verändert. Die Piraten werden in erster Linie damit beschäftigt sein, sich ein Bild zu verschaffen vom Politikbetrieb. Dann wird man sehen, wohin das führt, ob sie tatsächlich in der Lage sein werden, eigene Alternativen von Politik zu entwickeln oder ob sie lediglich zur Unterhaltung beitragen.

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