Russlands Rolle in der Syrien-Diplomatie:Putin pokert um den Frieden in Syrien

Wladimir Putin, Russland, Syrien

Große Hoffnungen: Russlands Präsident Putin soll zur Lösung des Syrien-Konflikts beitragen

(Foto: dpa)

Ausgerechnet der Assad-Verbündete Russland bringt Bewegung in die Syrien-Krise. Mit der Idee einer Friedenskonferenz weckt Moskau hohe Erwartungen, jetzt stehen Gespräche mit Großbritanniens Premier Cameron und Außenminister Westerwelle an. Doch wie groß ist Putins Wille zum Frieden wirklich?

Von Johannes Kuhn

Die Diplomatie im Syrien-Konflikt ist wieder zum Leben erwacht, doch die Motive ihres Erweckers sind rätselhaft: Ausgerechnet auf Russland, im zweijährigen Bürgerkrieg stets loyal zum Regime des syrischen Machthabers Baschar al-Assad gewewsen, ruhen nun die Hoffnungen der Weltgemeinschaft, den blutigen Konflikt mit mehr als 70.000 Toten politisch zu beenden.

Seit am Dienstag Russlands Außenminister Sergej Lawrow und sein US-Amtskollege John Kerry die Einberufung einer Syrien-Konferenz verkündeten, gibt es zumindest wieder Planspiele, die über die Frage nach einer möglichen Bewaffnung der Rebellen hinausgehen. Das gibt auch dem Zusammentreffen am Freitag zwischen Lawrow und seinem deutschen Konterpart Guido Westerwelle sowie dem Staatsbesuch von Großbritanniens Premierminister David Cameron bei Russlands Präsident Wladimir Putin neues Gewicht.

Noch ist unklar, wann die Syrien-Konferenz stattfinden und wer an ihr teilnehmen soll. Ein solches Treffen im Juni vergangenes Jahres endete enttäuschend: Die UN-Vetomächte und einige Nahost-Staaten waren damals in Genf zusammengekommen, doch saßen weder Vertreter aus Syrien, noch der wichtigen Regionalmächte Saudi-Arabien und Iran mit am Tisch. Die Abschlussresolution enthielt zwar die Forderung nach einer Übergangsregierung, auf Druck Russlands wurde aber die Beteiligung Assads nicht explizit ausgeschlossen.

Neue Hoffnung oder Spiel auf Zeit?

Ob sich an dieser russischen Haltung knapp ein Jahr später etwas geändert hat? Man sei "nicht am Schicksal bestimmter Individuen, sondern an dem des gesamten syrischen Volkes interessiert", erklärte Lawrow am Dienstag. Mit gutem Willen lässt sich das als leichtes Abrücken von Assad, mit Realismus als unveränderte Position interpretieren. Die USA haben ihre Haltung, dass der Machthaber vor einer solchen Konferenz zurücktreten müsste, offenbar aufgegeben.

Aktuelle Berichte über den geplanten Verkauf eines Flugabwehrsystems an das syrische Regime dürften Skeptiker allerdings in ihrer Haltung bestätigen, Moskaus Diplomatieoffensive sei vor allem der Versuch, im Konflikt auf Zeit zu spielen. Immerhin hat das Land in den vergangenen zehn Jahren Waffen im Wert von einer Milliarde Dollar an Assad geliefert.

"Das ist kein Verstoß gegen irgendwelche internationalen Vorschriften", erklärte Außenminister Sergej Lawrow am Freitag zu der möglichen Waffenlieferung an Syrien. Bei dem Raketenabwehrsystem S-300 handele es sich um eine Verteidigungswaffe. Bundesaußenminister Guido Westerwelle erklärte hingegen: "Das ist eine Kontroverse zwischen uns."

Wie ernst ist es der Putin-Regierung also mit dem Frieden? "Russland reagiert sehr nervös auf jede Andeutung eines von außen gesteuerten Regimewechsels, vor allem nach Libyen", erklärt der renommierte russische Außenpolitik-Experte Fjodor Lukianow. Damals hatte Moskau eine UN-Resolution zur Einrichtung einer Flugverbotszone nicht blockiert. Unter diesem Mandat trug die Nato mit ihren Luftangriffen entscheidend zum Sturz des Gaddafi-Regimes bei - und Russland bliebt wie schon im Kosovo-Krieg 1999 und dem Irak-Krieg 2003 nur eine diplomatische Nebenrolle.

Die Staatsräson, die auch auf die eigene Handlungsfreiheit bei innerrussischen Konflikten zielt, sieht vor, dass Lösungen von Akteuren im Land ausgehandelt werden müssen. "Russische Diplomaten nennen mir immer wieder das Friedensabkommen von Dayton 1995 als mögliche Blaupause für Syrien", sagt Lukianow. Damals hatte die internationale Gemeinschaft die Parteien des bosnischen Bürgerkriegs unter starkem Druck zu erfolgreichen Friedensverhandlungen gebracht.

Zurück im Zentrum der Weltdiplomatie

Ein derartiges Szenario ist auf Syrien allerdings kaum übertragbar. Die Oppositionsgruppen sind von Nationalisten über verschiedene Religionsgruppen bis zu Islamisten zersplittert, auf dem Schlachtfeld werden extreme Gruppen immer einflussreicher. Ein Großteil der Rebellen lehnt eine Einheitsregierung mit Vertretern des Assad-Regimes ab, die wenigen gesprächsbereiten Figuren wie der übergelaufene Brigadegeneral Salim Idris, der die Unterstützung der USA genießt, sind möglicherweise zu schwach.

Auch ist unklar, ob Assad auf russischen Druck hin wirklich einen Gesandten schicken würde. Augenfällig ist außerdem das Schweigen wichtiger regionaler Mächte: Weder Saudi-Arabien noch Katar haben sich bislang zu der neuen diplomatischen Initiative geäußert - beide gelten als wichtige Unterstützer der syrischen Opposition. Ebenso unklar ist, wie die USA auf die Forderung nach der Einladung Irans reagieren würden - Teheran agiert als Unterstützer Assads und der schiitischen Hisbollah im Libanon.

Bis diese Detailfragen geklärt sind, dürfte noch etwas Zeit vergehen. Ob sich damit aber konkrete Entscheidungen über die Bewaffnung syrischer Rebellen durch den Westen verschieben, wie die USA sie andenken, Frankreich und Großbritannien sie fordern, ist ungewiss.

Der Schlüssel zum Frieden liegt einmal mehr in Moskau - eine Rückkehr ins Zentrum der Weltdiplomatie, die Putin und sein Außenminister durchaus genießen dürften. "Lawrow hat den Ehrgeiz, Russlands Profil in der Außenpolitik wieder herzustellen", zitierte das US-Magazin Foreign Policy jüngst einen russischen Diplomaten. Diesem Ziel dürfte das Land in dieser Woche einen großen Schritt nähergekommen sein.

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