Russlandpolitik:Intensiver reden - und Putin nicht so leicht davonkommen lassen

Bundeskanzlerin Merkel trifft Präsident Putin

Putin und Merkel: Die neue Bundesregierung macht gerade vor, wie ein intensiver Dialog mit Moskau aussehen kann.

(Foto: dpa)

Maas, Altmaier, Merkel: Endlich tritt die Bundesregierung geschlossen gegenüber Russland auf, man verhandelt ohne Sentimentalitäten. Weiter so, der Zeitpunkt ist günstig.

Kommentar von Julian Hans, Moskau

Die Forderung, es müsse endlich wieder mit Russland geredet werden, hat es in den vergangenen Jahren in die Top Ten der wohlfeilen Allgemeinplätze geschafft. Aber Reden um des Redens Willen hat noch keinen Konflikt gelöst. Man muss auch eine Botschaft haben, einen klaren Kompass und gute Angebote in der Tasche. Die neue Bundesregierung macht gerade vor, wie ein intensiver Dialog mit Moskau aussehen kann, ohne eigene Prinzipien oder fremde Staaten zu verraten. Kaum war Wladimir Putin neu im Amt des Präsidenten vereidigt, kamen in kurzen Abständen der Außenminister, der Wirtschaftsminister und schließlich die Kanzlerin. Die Abfolge und das Auftreten der drei wirkten wohl durchdacht und aufeinander abgestimmt. Außenpolitik aus einem Guss. Zumindest in dieser Frage scheint die Koalition gut zu funktionieren.

Allen Besuchen gemeinsam war, dass es um konkrete Fragen ging, nicht um Sentimentalität. Heiko Maas lotete mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow mögliche Strategien aus, um das Atomabkommen mit Iran nach einem Ausstieg der USA zu retten oder zumindest den Schaden zu begrenzen. Peter Altmaier sprach erst in Kiew mit der ukrainischen Regierung über deren Bedenken zum zweiten Strang der Gaspipeline Nordstream und über mögliche Kompromisse. Dann reiste er nach Moskau weiter, um auf dem Rückweg noch einmal den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko zu sprechen. Am Freitag dann traf Angela Merkel in Sotschi Wladimir Putin.

Was sich geändert hat wird klar, wenn man die Besuche der Minister mit denen ihrer Vorgänger vergleicht. Etwa mit dem von Sigmar Gabriel, der quasi schon an der Türschwelle erklärt hatte, er persönlich halte nichts von Sanktionen und sei für ihren schrittweisen Abbau. So gibt man ohne Not eigene Positionen preis. Derlei Zweideutigkeiten untergraben die Autorität der eigenen Regierung wie der Europäischen Union, die mit den Sanktionen auch die Bedingungen für ihre Aufhebung gemäß den Vereinbarungen von Minsk beschlossen hatte. Diesmal waren die Sanktionen kein Thema. Stattdessen wurde nach Projekten gesucht, die sich trotz der Sanktionen umsetzen lassen - zum Vorteil aller Seiten. Das ist eine Russland-Politik ohne Illusionen.

Der Zeitpunkt dafür ist günstig. Erst war Deutschland durch den Wahlkampf und die zähe Regierungsbildung außenpolitisch gelähmt. Dann musste Putin seine vierte Amtszeit antreten. Nun steht in weniger als vier Wochen die Fußball-WM ins Haus, ein Anlass, innen- wie außenpolitisch etwas freundlichere Töne anzuschlagen. Außerdem zeichnet sich bereits ab, dass die lahmende Wirtschaft und der sinkende Lebensstandard der Bürger Russlands die zentralen Themen von Putins vierter Amtszeit werden. Beides lässt sich nicht mit mehr Isolation und Konfrontation bekämpfen.

Noch steht der Kompromiss zu Nordstream 2 nicht. Putin wollte in Sotschi nicht mehr zusagen, als weiter Gas durch die Ukraine zu leiten, wenn das "wirtschaftlich begründet und sinnvoll ist für alle Beteiligten". Gazprom-Chef Alexej Miller hat in der Vergangenheit bereits erklärt, mit der Inbetriebnahme von Nordstream 2 sei der Transit auf dem Landweg wirtschaftlich nicht mehr attraktiv. So leicht darf die neue deutsche Troika Putin nicht davonkommen lassen.

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