Russlanddeutsche Spätaussiedler:„Postsowjetische Belastungsstörung“

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„Nehmet einander an“: So lautete 1999 das Motto eines Integrationstags für russlanddeutsche Spätaussiedler in Grünheide bei Berlin. (Foto: Ralf Maro/epd)

2,5 Millionen Russlanddeutsche haben hier eine neue Heimat gefunden. Ira Peter ist eine von ihnen und erzählt von alten Bräuchen, Diktaturerfahrungen und dem Unwillkommensein.

Von Cord Aschenbrenner

Die Eltern von Ira Peter sind auf dem „Achtundzwanzigsten“ aufgewachsen, so nennen sie bis heute das Dorf „Sondersiedlung Nummer 28“ in der Steppe Nordkasachstans. Die Familie stammte aus Wolhynien in der nordwestlichen Ukraine, seit 1922 eine sozialistische Sowjetrepublik. 1936 wurden die Großeltern Ira Peters, genau wie Tausende anderer „Wolhyniendeutsche“, die seit dem 19. Jahrhundert im Zarenreich, später dann in der Sowjetunion gelebt hatten, nach Osten deportiert. Andere deutschstämmige Sowjetbürger hatten dieses Glück nicht, sie wurden, weil Partei und Staat ihnen als „Deutsche“ oder gleich als „Faschisten“ misstrauten, zu Zehntausenden hingerichtet oder kamen in sibirische Straf- und Arbeitslager. Der Familie wurde immerhin ein Lehmhaus im kasachischen Nichts zugewiesen, sie überstand entgegen aller Wahrscheinlichkeit die dunklen Jahre bis zu Stalins Tod. In Kasachstan blieb die Familie, musste bleiben – Teil der verhassten deutschen Minderheit, die wie andere Minderheiten auch über ihre jeweils spezielle Vergangenheit unter Stalin schwieg, bis zum Ende der Sowjetunion.

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