Russland:Wladimir Putin zeigt Zähne

Eine live im Fernsehen übertragene Fernsehstunde nutzt Wladimir Putin, um seine Stärke zu demonstrieren. Russlands Präsident kündigt eine neue Atomwaffen-Technik an, verteidigt die umstrittenen Gespräche mit Iran - und leistet sich auch einen Seitenhieb auf die Irak-Politik der USA.

Russlands Präsident Wladimir Putin setzt zum Ende seiner Amtszeit auf eine Politik der militärischen Stärke.

Er kündigte den Bau einer neuen Generation atomarer Sprengköpfe an und rechtfertigte die Aufrüstung mit dem US-Krieg im Irak.

Rohstoffreiche Länder müssten ihre Interessen schützen, erklärte er während einer live im Fernsehen übertragenen Fragestunde für russische Bürger. "Gott sei Dank ist Russland nicht der Irak", sagte Putin. Das Land sei stark genug, seine Interessen zu wahren, "nebenbei bemerkt, auch in anderen Regionen der Welt."

Dann fügte er in der vermutlich letzten Fragestunde dieser Art vor seinem Ausscheiden aus dem Amt im Frühjahr hinzu: "Wir werden eine Raketentechnologie entwickeln, einschließlich vollkommen neuer nuklearstrategischer Systeme, vollkommen neu." Dabei gehe es nicht nur "um den gesamten atomaren Dreiklang aus strategischen Raketen, Luftwaffe und einer nuklearen U-Boot-Flotte", sondern auch um konventionelle Waffen. Die Pläne für den Ausbau der Verteidigung seien grandios, betonte der Präsident, der sich bei der Parlamentswahl im Dezember um ein Abgeordnetenmandat bewerben will.

Militärexperte: Putins Forderung nicht neu

Putin drohte zudem mit einer Verlegung russischer Waffensysteme, sollten die USA seine Bedenken gegen den in Osteuropa geplanten Raketenschild nicht berücksichtigen. "Ich kann versichern, dass solche Schritte derzeit vorbereitet werden", sagte er. Wo welche Raketen stationiert würden, sei eine Entscheidung des Generalstabs der Armee.

Fachleute stuften die angekündigten Pläne Putins indes als "unspektakulär" ein. "Man kann bis zum Jahr 2015 viel versprechen, aber man muss es auch bezahlen können", sagte ein westlicher Militärexperte in Moskau. Die von Putin angekündigte Aufrüstung mit modernsten Waffen sei in dieser Form nicht neu.

Auch im Atomkonflikt mit Iran schlug Putin einen scharfen Ton an. Direkte Gespräche seien der bessere Weg als Sanktionen oder ein Militäreinsatz, sagte er mit Blick auf seinen jüngsten Besuch in Teheran, auf den die USA kritisch reagiert haben. Ein Dialog sei "immer produktiver und der kürzeste Weg zum Erfolg als eine Politik der Drohungen und Sanktionen oder gar der Plan, Gewalt einzusetzen."

US-Präsident George W. Bush hatte am Vorabend der Fragestunde Putin aufgefordert, klarzustellen, ob Russland nach wie vor die internationalen Bedenken gegen das iranische Atomprogramm teile. Er warnte vor einem Dritten Weltkrieg, sollte Iran in den Besitz von Atomwaffen gelangen. Gemeinsam mit den europäischen Vermittlern bemühen sich die USA derzeit um eine Verschärfung der internationalen Sanktionen gegen Iran.

Die Fragestunde im Fernsehen nutzte Putin auch für einen Seitenhieb gegen die Irak-Politik der USA. Man könne zwar ein tyrannisches Regime von der politischen Landkarte entfernen, sagte Putin in der am Donnerstag ausgestrahlten Sendung. "Aber es ist völlig sinnlos, gegen ein Volk zu kämpfen. Wir sehen, was dort vor sich geht", sagte Putin. "Sie haben dort gelernt zu schießen, aber sie können keine Ordnung schaffen."

Anlass für die Ausführungen war die Frage eines Mechanikers aus der sibirischen Stadt Nowosibirsk zu einer mehrere Jahre zurückliegenden Äußerung der früheren US-Außenministerin Madeleine Albright über den Reichtum an Rohstoffen in Sibirien, der zu groß sei, um einem einzigen Land zu gehören.

Putin sagte, er wisse, dass einige Politiker mit solchen Gedanken spielten, aber das sei reines Wunschdenken. Putin sagte, den USA gehe es im Irak auch um die Kontrolle über die Ölförderung des Landes. Er forderte, dass es ein konkretes Datum für den Truppenabzug geben müsse. In den vergangenen Monaten hat sich Putin zunehmend kritisch über die Außenpolitik der USA geäußert.

Dabei ging es unter anderem um die geplante Raketenabwehr der USA in Osteuropa und um die von Washington angestrebten Sanktionen gegen Iran. Putin stellte sich seit seiner Amtsübernahme im Jahr 2000 zum sechsten Mal den Fragen von Fernsehzuschauern. Er bekräftigte, dass er im nächsten Jahr aus dem Amt scheiden werde, machte aber keine Angaben zu seinen weiteren Plänen.

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