Putin-Kritiker:Freiheit in der Fremde

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„Ich verstehe, dass der Februar 2022 viel verändert hat“: die russischen Regimekritiker (von links) Ilja Jaschin, Andrej Piwowarow und Wladimir Kara-Mursa nach ihrer Freilassung vergangene Woche in Bonn. (Foto: Christoph Reichwein/dpa)

Für die bei dem Gefangenenaustausch freigekommenen russischen Regimekritiker wird es gar nicht so einfach werden, ihre Oppositionsarbeit im Ausland fortzusetzen.

Von Silke Bigalke

Er möchte die Dinge auf sich zukommen lassen, hat Wladimir Kara-Mursa dem Sender Sky auf die Frage nach seinen Zukunftsplänen geantwortet, Zeit mit seiner Familie verbringen. Seine Frau und die drei Kinder leben sicherheitshalber schon seit vielen Jahren in Washington, vor seiner Festnahme ist er gependelt. Eine seiner Lebensaufgaben war es dabei, für das Magnitski-Gesetz zu werben, benannt nach einem russischen Anwalt, der in einem Moskauer Gefängnis starb. Das Gesetz zielt darauf, statt ganzer Staaten einzelne Täter für Menschenrechtsverletzungen zu bestrafen, ihre Konten zu sperren, ihnen die Einreise zu verweigern. Der Kreml betrachtet Kara-Mursa auch deswegen als Feind, weil er Sanktionen gegen Einzelpersonen innerhalb des Regimes gefordert hat.

Kaum war er frei, knüpfte er daran an, warb für mehr zielgerichtete Sanktionen wegen des Krieges in der Ukraine als die bisher verhängten Strafmaßnahmen. Sie sollten nicht die russische Gesellschaft als Ganzes treffen, sondern nur den wahren Verantwortlichen wehtun. Das wurde sofort als allgemeine Kritik an Sanktionen gegen Russland verstanden, Kara-Mursa ist dafür so heftig kritisiert worden, dass er in einem BBC-Interview einräumte, er brauche wohl mehr Informationen. „Ich verstehe, dass der Februar 2022 viel verändert hat“, sagte er.

Natürlich seien viele Russen mitverantwortlich, weil sie die Augen vor Missbrauch und Repression verschlossen hätten. Aber dann sei auch der Westen nicht unschuldig, der jahrelang mit Putin Geschäfte machte. In solchen Momenten klingt Kara-Mursa wie früher, als hätte es die Jahre im Gefängnis nie gegeben.

Trotzdem müssen er und die anderen befreiten Regimegegner wohl erst mal begreifen, wie ihnen geschieht. Zwar haben Kara-Mursa, Ilja Jaschin und Andrej Piwowarow bereits gesagt, sie wollten weitermachen, „die demokratischen Kräfte“ Russlands vereinen. Aber was heißt das? Das Dilemma aller Exil-Oppositionellen ist, dass sie die Menschen in Russland kaum dazu aufrufen können, sich zu wehren. Denn sie tragen – nun im Exil – das Risiko für regimekritisches Engagement ja nicht mehr mit. Er wisse gar nicht, wie er außerhalb Russlands ein russischer Politiker sein könne, hat denn auch Ilja Jaschin vor und nach seiner Befreiung gesagt. Er wolle einfach nur nach Hause.

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