Russland vs. Weißrussland:Der Porno-Affront

Moskau und Minsk tragen ihren Kleinkrieg auch über die Medien aus. Jüngstes Opfer: der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko - vorgeführt von einem Pornoproduzenten.

Sonja Zekri

Vielleicht beschießen sich die Präsidenten Russlands und Weißrusslands demnächst mit Papierkügelchen. Oder einer tuschelt Gemeinheiten, während der andere eine Rede hält. Sie strecken sich die Zunge raus.

Alexander Lukaschenko, 2000

Hat im Medienkrieg zwischen Moskau und Minsk vorerst den Kürzeren gezogen: Weißrusslands Präsident Alexander Lukaschenko.

(Foto: AP)

Vor Wochen gab sich die russische Zeitung Nowaja Gaseta Gedankenspielen hin, welche kindischen Exzesse wohl zwischen Dmitrij Medwedjew und Alexander Lukaschenko denkbar sind, wo doch der Haussegen zwischen Russland und Weißrussland so schief hängt wie nie seit dem Ende der Sowjetunion.

Inzwischen weiß man: Die Zeitung hat kaum übertrieben.

Gewiss, der Streit berührt Elementares. Minsk will von Moskau billiges Öl, das es teuer weiterexportiert, um eine vormodernde Industrie zu betreiben. Es macht der EU Avancen und hat Abchasien und Südossetien nicht anerkannt, die abtrünnigen georgischen Flecken, denen Russland die Staatlichkeit geschenkt hat. Moskau wiederum dreht ab und an den Gas-Hahn zu oder verhängt Importverbote für weißrussische Milch.

Es geht um die Zukunft des letzten Diktators in Europa (Lukaschenko), um Russlands Hegemonie im postsowjetischen Raum, kurz, ums Ganze.

Erst Halbweltgröße, nun Star in einem Sexfilm

Der Stil der Auseinandersetzung lässt diese Dramatik allerdings kaum vermuten. Seit Wochen veröffentlichen staatstreue Medien Kompromittierendes über die jeweilige Gegenseite. Das russische Fernsehen porträtierte in einem Mehrteiler Lukaschenko als Halbweltgröße, woraufhin Minsk Moskaus Erzfeind, den georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili, gegen den Kreml hetzen ließ. Da brachen alle Dämme.

Die Autofahrt des russischen Premiers Wladimir Putin in einem Lada durch den fernen Osten, präsentiert als spontane Liebeserklärung an die heimische Autoindustrie, entlarvten Journalisten des weißrussischen Senders ONT als inszenierte Werbetour. Außer Putins Lada - einer von drei Ladas, falls der erste den Geist aufgeben sollte - gehörten zum Konvoi nur ausländische Autos.

Übertroffen werden dürfte dieser Mediencoup, wenn demnächst das russische Werk Batkas Glück im Internet zu sehen ist. Der Titel ist eine Anspielung auf Lukaschenkos Spitznamen, der Film ein Porno.

Batkas Glück zeigt einen Kolchosbesitzer mit Schnurrbart, der sich einer Feldarbeiterin nähert, mit ihr die Qualität der Tomaten erörtert und dann intim wird. Produzent Alexander Walow streitet eine politische Dimension nicht ab: "Ich bin Patriot. Wäre ich das nicht, würde ich einen Film über Putin oder Medwedjew machen", sagte er im Radio.

Am Montag drohte der Medienkrieg in die Realität überzugreifen. Unbekannte warfen Molotowcocktails auf die russische Botschaft in Minsk. Umgehend beschuldigte Lukaschenko Russland.

Am Donnerstag dann die Überraschung: Er hatte Recht, jedenfalls teilweise. Die russische Gruppe "Freunde der Freiheit" bekannte sich zu dem Anschlag. Sie habe allerdings gegen die Unterdrückung der Opposition in Russland protestieren wollen.

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