Süddeutsche Zeitung

Russland:Von Mann zu Mann

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Präsident Wladimir Putin freut sich über Trumps Sieg. Ob eine neue Ära der Freundschaft beginnt, ist aber längst nicht ausgemacht.

Von Julian Hans, Moskau

Im russischen Parlament brach spontaner Applaus los, als die Nachricht vom Sieg Donald Trumps am Mittwochmorgen in die Plenarsitzung platzte. Präsident Wladimir Putin beeilte sich, dem Wahlsieger ganz schnell zu gratulieren. Er hoffe darauf, die russisch-amerikanischen Beziehungen gemeinsam aus der Krise zu führen und "effektive Antworten auf Fragen der globalen Sicherheit zu finden", schrieb er in einem Telegramm.

Es sei nicht die Schuld Russlands, dass die Beziehungen beider Länder einen Tiefpunkt erreicht hätten, führte Putin bei einem Treffen mit ausländischen Botschaftern im Kreml aus. Trotzdem sei man "bereit, unseren Teil beizutragen, um das russisch-amerikanische Verhältnis auf eine stabile Bahn zu lenken".

Die staatlichen Medien hatten sich auf einen anderen Ausgang eingestellt. Nachdem sie Hillary Clinton über Monate als verrückt, nervenkrank und korrupt diffamiert hatten, verlagerten sie in der vergangenen Woche ihren Schwerpunkt darauf, die Legitimität der Wahl anzuzweifeln. Geschichten über Spoiler-Kandidaten und Wähler, die angeblich mehrfach abstimmen konnten, lösten einander ab. Dmitrij Kisseljow, Chef der Propaganda-Agentur Rossija Segodnja, raunte im Fernsehen, das US-Establishment werde Donald Trump eher umbringen als ihn Präsident werden zu lassen.

Nun ist es anders gekommen und Margarita Simonjan, die Chefredakteurin von Rossija Segodnja, rief im Überschwang per Twitter dazu auf, mit US-Flaggen im Autofenster durch die Stadt zu fahren: "Heute haben sie es verdient." 24 Stunden vorher hätte man sich mit einer solchen Aktion zur Zielscheibe von Simonjans Propaganda-Maschine gemacht.

Dabei ist es alles andere als sicher, dass mit einem Präsidenten Trump eine neue Ära der Freundschaft zwischen Russland und den Vereinigten Staaten anbricht. Zwar ist Moskau in der Vergangenheit mit republikanischen Präsidenten grundsätzlich besser ausgekommen. Zwar haben sich Trump und Putin im vergangenen halben Jahr gegenseitig öffentlich Komplimente gemacht. Putin nannte Trump eine "strahlende Persönlichkeit", Trump nannte Putin einen "starken Führer", der - im Unterschied zu Barack Obama - in der Welt geachtet werde.

Doch zum einen ist Trump eben kein klassischer Republikaner. Zum anderen hat er im Wahlkampf widersprüchliche Aussagen über Russland gemacht. Mal hieß es, eine Anerkennung der Krim-Annexion sei zumindest bedenkenswert. Mal zog er die Beistandspflicht der Nato in Zweifel, sollte Russland die baltischen Staaten angreifen. Dann wieder erklärte Trump, sollten erneut russische Kampfjets dem US-Militär zu nahe kommen, werde er den Befehl zum Abschuss geben. In einem kurzen Wahlkampf-Clip, den Trump im Frühjahr verbreitete, werden Putin und der "Islamische Staat" als "unsere härtesten Gegner" auf eine Stufe gestellt.

Eine Kehrtwende zeichnet sich in der Art und Weise ab, wie Konflikte angegangen werden. Barack Obama hat Putin lange ignoriert, persönliche Treffen vermieden und am Ende in der Sprache von Sanktionen mit Moskau kommuniziert. Dass Trump darauf setzt, Streit am besten im direkten Dialog von Mann zu Mann zu lösen, passt zu Putins Stil. Seine Stärke sind nicht langfristig ausgelegte und multilateral ausbalancierte Übereinkommen. In den vergangenen Jahren hat er eine Reihe von Verpflichtungen abgeschüttelt, die aus seiner Sicht die russische Souveränität einschränkten. Stattdessen taktiert er meisterlich aus der Situation heraus. Ob Donald Trump ihm dabei gewachsen ist, muss sich zeigen.

Dass die Großmächte die Dinge direkt unter sich regeln, ist seit Langem das Bestreben Moskaus. Kleinere und schwächere Staaten müssen sich dabei auf harte Zeiten einstellen. Im Ringen um eine Lösung des Ukraine-Konflikts könnten die Europäische Union und zuallererst Angela Merkel bald ohne ihren wichtigsten Verbündeten dastehen.

In Moskau ist man zunächst einmal froh, Hillary Clinton los zu sein, der man unterstellte, hinter allen Revolutionen vom Arabischen Frühling über den Kiewer Maidan bis zu den Massenprotesten gegen Wahlfälschungen in Moskau vor fünf Jahren zu stecken. Mit Trumps Amtsantritt wird Moskau sich einen neuen Feind suchen müssen, der verantwortlich gemacht werden kann, wenn es nicht nach russischem Wunsch läuft. Im nächsten Jahr wird in Deutschland gewählt. Angela Merkel kann sich auf schwere Zeiten gefasst machen.

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Quelle:
SZ vom 10.11.2016
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