Krieg in der Ukraine:Putin reist ins eroberte Mariupol

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Krieg in der Ukraine: Putins Besuch in Mariupol, wie ihn die russische Propaganda sieht: Der russische Präsident (links) in Begleitung des stellvertretenden Ministerpräsidenten Marat Chusnullin.

Putins Besuch in Mariupol, wie ihn die russische Propaganda sieht: Der russische Präsident (links) in Begleitung des stellvertretenden Ministerpräsidenten Marat Chusnullin.

(Foto: Uncredited/dpa)

Erstmals zeigt sich der russische Präsident auf neu erobertem Gebiet. Der Zeitpunkt dürfte kein Zufall sein.

Von Frank Nienhuysen

Zum ersten Mal seit Beginn des Krieges gegen die Ukraine ist Russlands Präsident Wladimir Putin in eines der neu eroberten Gebiete gereist. Nach einem Besuch am Samstag auf der annektierten Halbinsel Krim flog er mit dem Hubschrauber in die eingenommene Hafenstadt Mariupol, wo er bei einem "Arbeitsbesuch" in der Nacht durch einige Bezirke fuhr. Das russische Fernsehen zeigte Aufnahmen, in denen Putin selbst ein Auto lenkte und der russische Vizeregierungschef Marat Chusnullin ihm über instandgesetzte Tram- und Buslinien und die Straßenbeleuchtung berichtete. Putin ließ sich auch neue Wohngebäude zeigen. Mariupol wurde im vergangenen Frühjahr von russischen Truppen erobert und bei den Angriffen weitgehend zerstört.

Kremlsprecher Dmitrij Peskow sagte, dass der Besuch nicht geplant gewesen, sondern spontan erfolgt sei. Das wäre für Putin unüblich; normalerweise sind seine Reisen lange vorher akribisch vorbereitet und seine Gesprächspartner genau ausgesucht. Zumindest das Timing seines Besuchs dürfte kein Zufall gewesen sein.

An diesem Montag erwartet der Kremlchef den chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping zu einem dreitägigen Besuch in Moskau. Putin dürfte ihm also berichten, welche - aus seiner Sicht - Fortschritte es beim Wiederaufbau der annektierten Gebiete in der Ostukraine gebe. Zum anderen könnte Putins Besuch in dem eroberten Gebiet auch als symbolische Antwort auf den internationalen Haftbefehl gegen ihn verstanden werden.

Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag hatte am Freitag Haftbefehle gegen Putin und die russische Kinderrechtsbeauftragte Maria Lwowa-Belowa erlassen. Die Ermittler machen sie unter anderem für die Verschleppung ukrainischer Kinder aus den besetzten Gebieten verantwortlich. Russland erkennt das Strafgericht nicht an, allerdings haben mehr als 120 Staaten die Statuten des Gerichts unterzeichnet. Der Haftbefehl könnte die Reisepläne Putins beeinträchtigen, konkret schon im August, wenn Südafrika das Gipfeltreffen der sogenannten Brics-Staaten ausrichtet. Südafrika hat sich verpflichtet, Haftbefehle des internationalen Gerichts auszuführen.

Auch Bundesjustizminister Marco Buschmann machte in einem Gespräch mit der Bild-Zeitung deutlich, dass Deutschland verpflichtet wäre, "Präsident Putin, wenn er deutsches Territorium betritt, zu inhaftieren und an den Strafgerichtshof zu übergeben". Bundeskanzler Olaf Scholz unterstützte den Haftbefehl aus Den Haag. Der Internationale Strafgerichtshof sei "die richtige Institution, Kriegsverbrechen zu untersuchen", sagte er in Tokio. "Und es ist so, dass niemand über Recht und Gesetz steht." Auch US-Präsident Joe Biden hält die Entscheidung der Justiz "für gerechtfertigt", das Gericht habe sehr starke Argumente. Allerdings haben auch die USA das Gericht bisher nicht anerkannt.

Einen Erfolg gab es am Wochenende beim umstrittenen Getreideabkommen, das am Sonntag ausgelaufen wäre, Russland und die Ukraine nun jedoch verlängert haben. Es sieht den freien Getreideexport über ukrainische Häfen vor. Nach russischen Angaben dauert die neue Laufzeit allerdings nur 60 Tage.

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