Süddeutsche Zeitung

Rüstung:Lob und ein paar Streitigkeiten zwischen Putin und Erdoğan

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Gas, Rüstung, Syrien: Beim Treffen in Sotschi zeigt sich, dass Russland und die Türkei Partner und Konkurrenten zugleich sind.

Von Frank Nienhuysen, München

Warum nicht mit dem Angenehmsten beginnen? Das dachte offenbar Russlands Präsident Wladimir Putin, als er sich am Mittwoch im russischen Badeort Sotschi mit seinem türkischen Kollegen Recep Tayyip Erdoğan traf und den Medien schon mal ein erstes Statement gab. Putin lobte die russisch-türkische Zusammenarbeit und hob dabei vor allem das beiderseitige Gasgeschäft hervor. Die Türkei fühle sich "in diesen turbulenten Prozessen auf dem europäischen Gasmarkt absolut überzeugt und stabil", was an den "großen Projekten" liege, die "derzeit nach Plan verlaufen": die Pipeline Turkish Stream etwa, über die russisches Gas in die Türkei und weiter in Europas südliche Staaten gebracht wird. Und zwar nach Angaben von Gazprom in einem historisch nie da gewesenen Umfang.

Ein zwieträchtiges Thema war schon abgehakt, bevor sich die beiden Staatschefs überhaupt getroffen haben: die Krim. Der türkische Präsident Erdoğan hatte klargemacht, dass er die Halbinsel nicht als Teil Russlands akzeptiere, sondern als ukrainisch ansehe. Diese Haltung kannte Moskau zwar ohnehin schon, doch derart kurz vor der Abreise nach Sotschi hinterließ Erdoğans Äußerung einen "unangenehmen Beigeschmack", wie es Kremlsprecher Dmitrij Peskow formulierte. Am Mittwoch machte Peskow wiederum klar: Darüber würde in Sotschi erst gar nicht gesprochen. Putin und Erdoğan ging es bei ihrem Treffen vor allem um Syrien, Afghanistan, um Rüstungslieferungen und einiges andere. Russland und die Türkei, das ist seit Langem ein sehr ambivalentes Verhältnis.

Erdoğan sagte nach dem Gespräch, dass die Zusammenarbeit Russlands mit der Türkei auch in Syrien äußerst wichtig sei: "Der Frieden dort hängt auch von den Beziehungen zwischen der Türkei und Russland ab." Mehr drang zunächst allerdings nicht nach außen. Putins Sprecher hatte sich vor Erdoğans Ankunft in der russischen Schwarzmeerstadt darüber beklagt, dass sich von Idlib aus, der letzten Rebellenhochburg in Syrien, "terroristische Aktivitäten" fortsetzten. "Dies stört den Lösungsprozess in Syrien", sagte Peskow. Russland und die Türkei stehen im Syrien-Konflikt, in den Moskau vor genau sechs Jahren militärisch eingegriffen hat, auf unterschiedlichen Seiten. Russland unterstützt den syrischen Machthaber Baschar al-Assad, der auch Idlib zurück unter seine Kontrolle bringen will, während Ankara auf der Seite der schwer unter Druck geratenen Assad-Gegner steht. Nach einem Bericht der russischen Nachrichtenagentur Interfax wollte der türkische Staatschef in Sotschi Putin dazu bewegen, dass die Angriffe auf türkische Soldaten im Norden Syriens gestoppt werden. Allerdings besteht das russische Interesse eher darin, dass sich die Türkei aus Syrien zurückzieht.

Noch ein Streitpunkt ist die Lieferung türkischer Waffen an die Ukraine. Kiew hatte vor wenigen Wochen erklärt, dass es weitere Drohnen von Ankara kaufen werde, was in Moskau immensen Unmut ausgelöst hat. Kurz vor Beginn des Treffens in Sotschi wies Kremlsprecher Peskow darauf hin, dass im Osten der Ukraine ein "innerer Konflikt stattfindet", so die russische Lesart des von Moskau unterstützten Kriegs im Donbass. "Und wir wollen natürlich nicht, dass solche Rüstungssysteme von Hitzköpfen benutzt werden, um auf eigene ukrainische Bürger loszuschlagen."

Die Türkei hat Interesse an weiteren Raketenabwehrsystemen

Über andere Rüstungsgeschäfte dürfte aber auch zur Freude Russlands gesprochen worden sein. Erdoğan hatte am Sonntag noch einmal sein Interesse an einer weiteren Lieferung von russischen Raketenabwehrsystemen des Typs 3RS S-400 gezeigt. Niemand könne sich darin einmischen und beeinflussen, welche Verteidigungssysteme die Türkei bei welchem Land kauft, sagte der türkische Staatschef. Gemeint sind natürlich die USA, die Ankara bereits wegen eines ersten Einkaufs dieser russischen Systeme mit Sanktionen belegt haben. Im Gegenzug stornierten die USA ein Geschäft über die Lieferung von Kampfjets F-35. Zwei Jahre liegt das nun zurück. 1,4 Milliarden US-Dollar habe sein Land an die Vereinigten Staaten für die Flugzeuge bezahlt, sie aber noch immer nicht bekommen, beklagte sich Erdoğan.

Womöglich könnte Russland aushelfen. Auf einer heimischen Luftfahrtausstellung hatte das Land im Beisein Putins erst kürzlich einen preislich sehr viel günstigeren Kampfjet präsentiert, der dem F-35 Konkurrenz machen soll. Bis zur Marktreife des Checkmate genannten Jets dürfte es allerdings noch einige Jahre dauern.

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