Auf dem Podium der Sicherheitskonferenz sagte der russische Außenminister nichts dazu. Doch nur wenige Minuten nach seinem Auftritt in München berichteten russische Nachrichtenagenturen, Sergej Lawrow reise am Dienstag kommender Woche nach Damaskus, um mit Staatschef Baschar al-Assad zu sprechen - im Auftrag von Staatschef Dmitrij Medwedjew. Begleitet werde er vom Chef des russischen Auslandsgeheimdienstes, Michail Fradkow.
Nun hat Russland seine Drohung wahr gemacht und auch die jüngste Syrien-Resolution mit seinem Veto blockiert. Zusammen mit China stimmte Moskaus UN-Botschafter Witali Tschurkin auf einer Sondersitzung des Sicherheitsrates in New York gegen einen von Arabern und Europäern unterstützten Entwurf.
Zuvor war es US-Außenministerin Hillary Clinton und Bundesaußenminister Guido Westerwelle in bilateralen Gesprächen mit Lawrow nicht gelungen, Russlands Widerstand gegen eine Resolution zu brechen. "Es sieht derzeit noch sehr schwierig aus", hatte Westerwelle am Samstag nach seinem Treffen mit Lawrow und nur eine Stunde vor Beginn der Sitzung in New York gesagt.
Lawrow hatte zuvor in München noch die Bedingungen dargelegt, unter denen Moskau einer Resolution zustimmen könnte. Der bereits modifizierte Entwurf der Arabischen Liga stelle eine Reihe von Forderungen an die Regierung Assads, während er von den im Land agierenden bewaffneten Gruppen nur verlange, die Gewalt einzustellen. Darin sehe Russland eine Parteinahme des Sicherheitsrates in einem Bürgerkrieg - was mit der UN-Charta nicht vereinbar sei.
Für den Westen dürfte es dagegen nicht akzeptabel sein, die massive Brutalität der Sicherheitskräfte des Regimes auf eine Stufe zu stellen mit den überwiegend friedlichen Protesten, aber auch dem gewaltsamen Vorgehen einiger Teile der Opposition. Das würde eine völlige Verdrehung der Lage in Syrien bedeuten und zudem die Behauptung des Regimes, die Gewalt gehe von "Terroristen" und bewaffneten Gruppen aus, de facto zur offiziellen Position des Sicherheitsrates erheben.
Ohnehin waren zuvor bereits reiheinweise Formulierungen gestrichen worden, um Russland entgegenzukommen. So verlangt der Entwurf nicht mehr ausdrücklich Assads Rücktritt, wie die New York Times berichtet. Es wird zudem eine Militärintervention ausgeschlossen und selbst freiwillige Sanktionen nicht mehr erwähnt.
Westerwelle sagte weitere Termine am Samstagabend ab, um in München mit Clinton und anderen Verbündeten über das weitere Vorgehen zu beraten. Die US-Außenministerin hatte die Abstimmung des Sicherheitsrats noch für Samstag forciert.
Dabei hatte Lawrow das Veto bereits angedeutet: In einem Fernsehinterview hatte er gewarnt, wenn die Resolution zur Abstimmung gestellt würde, ohne dass Russlands Bedenken Rechnung getragen werde, könne dies zu einem "weiteren Skandal im UN-Sicherheitsrat" führen.
US-Außenministerin Clinton hatte in ihrer Rede in München gesagt, sie hoffe, dass der UN-Sicherheitsrat in seiner Sitzung die Meinung der Weltgemeinschaft zu den Vorgängen in Syrien deutlich zum Ausdruck bringen werde. Das Veto Russlands und Chinas kritisierte sie scharf: "Es ist schwer vorstellbar, dass es nach dem bisher blutigsten Tag in Syrien immer noch jene gibt, die die internationale Gemeinschaft daran hindern wollen, diese Gewalt zu verurteilen", sagte Clinton in München.
"Ich möchte sie fragen: Was müssen wir denn noch wissen, um im UN-Sicherheitsrat entschlossen zu handeln?" Sie habe gleichen Tags in München am Rande der Sicherheitskonferenz ihren russischen Amtskollegen noch von einem Veto abzubringen versucht: "Das war nicht möglich."
Clinton fürchtet eine Eskalation der Gewalt in Syrien, wenn Präsident Baschar al-Assad weiter an der Macht bleibt. "Ich weiß, was passieren wird: mehr Blutvergießen, zunehmender Widerstand jener, deren Familien getötet werden und eine größer Wahrscheinlichkeit eines Bürgerkriegs", sagte sie.
Die syrische Opposition bezeichnete die Entscheidung als enttäuschend. "Dieses Veto geht auf Kosten des syrischen Volkes und seines Blutes", sagte Nadschi Taijara vom Syrischen Nationalrat. Er gehe davon aus, dass die Regierung von Präsident Assad sich des Vetos habe sicher sein können. "Deshalb hat das Regime das Massaker in Homs verübt."
Bei neuen Protesten gegen die syrische Führung wurden nach Angaben der Opposition in der Protesthochburg Homs mehr als 250 Zivilisten getötet. In der Stadt habe es in der Nacht zum Samstag "eines der schlimmsten Massaker seit dem Beginn des Aufstands in Syrien" gegeben, teilte der Syrische Nationalrat in Beirut mit. Das hat die Entschlossenheit im Westen verstärkt, im Sicherheitsrat notfalls nun die Stunde der Wahrheit zu suchen.
Der im US-Außenministerium zuständige Abteilungsleiter Jeffrey Feltman hatte der Süddeutschen Zeitung jüngst gesagt, er hoffe, dass Moskau "darüber nachdenkt, wie es langfristig seine Interessen in Syrien wahren kann". Russland könne nicht wohl dabei sein, wenn sich die Demonstranten in Syrien immer stärker gegen das Land wendeten, weil es jede wirksame internationale Lösung des Konflikts blockiere. Das, so die Argumentation, werde Russland im gesamten Nahen Osten weiter diskreditieren.
Obwohl, wie Lawrow in München betonte, Russland sich "nicht als Verbündeter oder Freund Assads" sieht, stemmt sich Moskau nun tatsächlich gegen die große Mehrheit der arabischen und westlichen Staaten.