Russland:So spektakulär wie Leben auf dem Mars

Präsident Putins Auftritt bei den UN begeistert russische Medien: Er habe die Agenda bestimmt, die USA hätten gezittert.

Von Julian Hans, Moskau

Die USA mussten wirklich alle Register ziehen, um die durchschlagende Wirkung der Rede von Wladimir Putin noch irgendwie zu dämpfen, meint Wjatscheslaw Nikonow. Putins Auftritt sei "natürlich das zentrale Element der UN-Generalversammlung" gewesen, erklärte der Abgeordnete der Kreml-Partei Einiges Russland. Es sei kein Zufall, dass die US-Raumfahrtbehörde Nasa zur gleichen Zeit verkündete, dass auf dem Mars Wasser gefunden wurde. "Das bedeutet, dass sie die Rede Putins mit etwas sehr Wichtigem unterbrechen mussten".

Nikonow ist kein Nobody, immerhin trägt er den Vornamen seines Großvaters Wjatscheslaw Molotow, Außenminister unter Stalin. Der Vorsitzende des Bildungsausschusses in der Staatsduma und Vorsitzende des Rats für Außen- und Sicherheitspolitik ist für seine bisweilen obskuren Äußerungen bekannt. Trotzdem decken sie sich meist mit der Linie des Kremls - wie auch in diesem Fall. Die staatlich gelenkten Medien feierten den ersten Auftritt Putins vor den Vereinten Nationen seit zehn Jahren als Großereignis. Die Botschaft: Russland ist nicht isoliert, Putin bestimmt die Agenda, Amerika zittert.

"Gerade diesem Auftritt wurde ganz besondere Aufmerksamkeit gewidmet", leitete die Reporterin Olga Skarbejewa im Staatssender Rossija ihren Bericht ein. Die Hauptnachrichten widmeten dem Thema die Hälfte ihrer 50-minütigen Sendezeit. Putin sei "mit Ungeduld erwartet worden", alle amerikanischen Kanäle "ohne Ausnahme" hätten darüber berichtet, meldete die Reporterin aus New York.

Einen ganzen Monat lang habe Putin persönlich an dieser Rede gearbeitet. Natürlich sei ihm dabei bewusst gewesen, dass auf seine deutlichen Worte wieder die Standard-Vorwürfe kommen, Russland habe besondere Ambitionen auf der Weltarena. Aber darum gehe es nicht: "Tatsächlich ist der russische Präsident nach New York gekommen, um der Welt die Augen für die Wahrheit zu öffnen, um zu erklären, wohin die kurzsichtige Politik der Vereinigten Staaten führt." Schon jetzt könne man "mit Sicherheit sagen", dass Putins Rede "einer der Schlüsselmomente der 70. Generaldebatte der Vereinten Nationen" gewesen sei.

Zu Obamas Rede dagegen zeigt der Sender, wie sich John Kerry im Saal die Hand vor den Mund hielt: der Außenminister habe "bei den ersten Worten seines Präsidenten gähnen müssen". In der Rede von US-Präsident Obama fand die staatliche Agentur Ria Passagen, die scheinbar genau ins Bild des Kremls passten: "Obama: Was für die USA richtig ist, ist für alle demokratischen Staaten richtig", schickte sie als Eilmeldung. Allerdings hatte er zwei Absätze davor gesagt, Demokratie nehme in unterschiedlichen Regionen der Welt unterschiedliche Formen an. Staaten entfalteten aber erst ihr volles Potenzial, wenn sie allen Bürgern Chancen böten, das gelte "für Amerika wie für praktisch alle großen Demokratien".

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