Süddeutsche Zeitung

Russland:Ringen um jedes Bit

Der Chatdienst-Gründer Pawel Durow bietet den Behörden Paroli. Nun ist die Datenschutz-Debatte im Land voll entbrannt.

Von Frank Nienhuysen

In Russland hat sich der Konflikt zwischen den Behörden und dem Betreiber des Messengerdienstes Telegram verschärft. Der Geheimdienst FSB erklärte am Montag, dass sich Terroristen vor dem U-Bahn-Anschlag in Sankt Petersburg im April über Telegram verständigt hätten. Mit der Erklärung wächst der Druck auf den Telegram-Gründer Pawel Durow, mit den russischen Behörden zusammenzuarbeiten. Die Medienaufsicht hatte vor wenigen Tagen in einem offenen Brief von Durow verlangt, Daten an die Regierung weiterzugeben und das Unternehmen als Nachrichtenagentur registrieren zu lassen. Durow aber lehnt jeglichen Zugriff durch den Staat ab, weshalb die Behörden damit drohen, Telegram innerhalb weniger Tage zu sperren. Durow habe "leider ein neutrales Verhältnis zu Terroristen und Verbrechern, die den Messengerdienst nutzen", schrieb der Leiter der Medienaufsicht, Alexander Scharow. Telegram steht in Konkurrenz zu Whatsapp und hat weltweit etwa 100 Millionen Nutzer.

Bisher trotzt der 32 Jahre alte Durow den Drohungen. "Nicht einen Bit" an Informationen werde er preisgeben, schrieb er im Sozialnetzwerk Vkontakte. Ihm ein neutrales Verhältnis zu Terroristen vorzuwerfen, sei realitätsfern: Allein seit Monatsbeginn habe Telegram 5000 "öffentliche Kanäle und Gruppen" gesperrt, die mit Terror-Propaganda zu tun hätten. "Wenn man den Terrorismus mit Blockaden besiegen will, müsste man das gesamte Internet sperren." Die Debatte über die Interessen des Staates und den Datenschutz von privaten Nutzern ist also auch in Russland voll entbrannt.

Durow warnte die Behörden davor, Telegram auszuschalten, denn dann würden die russischen Nutzer - auch die Beamten - auf Dienste wie Whatsapp oder Facebook-Messenger wechseln, die von den USA kontrolliert würden. "Welcher Sinn ergibt sich daraus für die nationale Sicherheit Russlands?", fragt er.

Der aus Sankt Petersburg stammende Durow, der als Schüler Passwörter von Schulcomputern knackte, wird wegen einiger Parallelen mit dem Facebook-Chef Mark Zuckerberg verglichen. Der junge Russe gründete einst die Konkurrenz-Plattform Vkontakte, die im gesamten osteuropäischen Raum beliebt ist. Als er sich vor drei Jahren, damals für Vkontakte, schon einmal weigerte, mit den russischen Behörden zu kooperieren, tauchte er im Ausland ab. Durow hatte es abgelehnt, Daten von ukrainischen Oppositionellen herauszurücken, die den Maidan-Protest organisiert hatten. Seine Unternehmensanteile musste er abgeben. Zusammen mit seinem Bruder Nikolaj baute er Telegram auf, von dem Durow behauptet, dass es sicherer verschlüssele als etwa Whatsapp. Das macht den Dienst auch für die Terrormiliz IS interessant.

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Quelle:
SZ vom 27.06.2017
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