Russland:Putins Plan für den Ruhestand

Lesezeit: 3 min

Seit 20 Jahren führt Wladimir Putin Russland als Präsident beziehungsweise Premier. Wie lange will er noch weitermachen? (Foto: Alexei Nikolsky/AP)

Die Duma setzt derzeit die vom Präsidenten vorgeschlagenen Verfassungsänderungen um. Einer der Vorschläge: Totale Immunität für Ex-Präsidenten, auch für Vergehen vor oder nach der Amtszeit. Kreml-Deuter versuchen, daraus die Zukunftspläne des Staatschefs zu lesen.

Von Silke Bigalke, Moskau

Präsident Wladimir Putin hat das Jahr dazu genutzt, für die Zukunft vorzusorgen. Seine persönliche Zukunft. Zuerst hat er sich die Möglichkeit geschaffen, für zwei weitere Amtszeiten im Kreml zu bleiben. Jetzt sichert er sich für den Ruhestand ab. Dazu gehört, dass der Präsident sich offenbar lebenslang unantastbar machen möchte.

Immunität genießen Ex-Präsidenten nach russischem Recht ohnehin weitgehend. Allerdings beschränkt sich die bisher auf Straftaten, die sie während ihrer Amtszeit begangen haben könnten. In Zukunft soll sie ausgeweitet werden auf alle Vergehen - egal, ob das Staatsoberhaupt sie vor, während oder nach seiner Zeit im Kreml verübt hat. Für Putin, und auch für Ex-Präsident Dmitrij Medwedjew, wäre das ein Freifahrtschein auf Lebenszeit.

Grundlage für den Vorschlag, den ein Parlamentsabgeordneter und ein Senator des Föderationsrats am Donnerstag in die Staatsduma eingebracht haben, ist Putins große Verfassungsreform. Sie ermöglicht ihm nicht nur, theoretisch bis 2036 im Kreml zu bleiben. Der Präsident hat mit dieser Reform sein Werteverständnis in der Verfassung verewigt, Werte wie Glaube, Familie und Heldengedenken darin aufgenommen. Er hat die Gewaltenteilung geschwächt, das Präsidentenamt gestärkt, die Gerichte abhängiger vom Kreml gemacht. Im Juli stimmten die Russen in einer umstrittenen Volksbefragung darüber ab.

Viele Gesetze klingen abstrakt - haben aber sehr konkrete Ziele

Seither wird in der Duma ein Gesetz nach dem anderen entsprechend verändert oder ergänzt. Es ist ein kleinteiliger, schwer greifbarer Prozess, der dem Präsidenten nicht nur mehr Macht verschafft, sondern in der Summe zu mehr Restriktionen und Kontrolle führt. Ein Gesetzesvorschlag etwa verbietet explizit die gleichgeschlechtliche Ehe. Ein anderer droht mit höheren Haftstrafen für Bürger, die dazu aufrufen, Territorien abzutreten. Das klingt abstrakt, wird aber als Warnung für all diejenigen verstanden, die die Annexion der Krim kritisieren. Ein anderes Gesetz wird so verändert, dass Verfassungsrichter ihre Meinung nicht mehr veröffentlichen dürfen, wenn sie mit einer Entscheidung des Gerichts nicht übereinstimmen. Das sind nur einige Beispiele.

Erst vergangene Woche hat Putin ein Gesetz vorgeschlagen, das Präsidenten einen Sitz im Föderationsrat auf Lebenszeit sichert. Dieser Posten allein bringt Immunität mit sich. Der Vorschlag zum Immunitätsgesetz am Donnerstag war nun der zweite innerhalb kurzer Zeit, der den Status von Ex-Präsidenten regelt. Dass Putin noch lange regieren könnte, bedeutet nicht, dass er das auch vorhat. Es gibt unterschiedliche Theorien, warum er seine letzte Amtszeit nicht 2024 enden lassen wollte. Vielleicht brauchte er die Möglichkeit weiterer zwölf Jahre, um einen Machtkampf hinter den Kulissen hinauszuzögern. Vielleicht plant er tatsächlich, noch für viele Jahre Präsident zu bleiben. Offenbar denkt er aber auch an die Zeit danach.

Putins Vorgänger Boris Jelzin wurde noch am Tag seines Rücktritts für immun erklärt

Immunität spielte bereits bei seinem Vorgänger eine Rolle für die Ruhestandsplanung: Boris Jelzin trat an Silvester 1999 zurück und machte Putin zum Interimspräsidenten. Der formulierte noch am selben Tag einen Erlass, dass sein Vorgänger lebenslange Immunität erhalten solle. Damals gab es Gerüchte über Korruption innerhalb der Familie Jelzins, die dieser stets dementiert hat. 2001 beschloss das russische Parlament dann ein Gesetz über die Immunität aller früheren Präsidenten. Schon damals wurde es von der Opposition heftig kritisiert.

Nun soll diese Immunität nicht nur ausgeweitet werden. Es würde mit der Gesetzesänderung auch schwieriger, sie aufzuheben, falls der frühere Präsident Hochverrat oder ein Schwerverbrechen beginge. Dann wären eine Sonderkommission in der Duma, ein Gutachten des Obersten Gerichts, eine Zweidrittelmehrheit in beiden Kammern des Parlaments notwendig - alles Institutionen, die Putin durch die Reform noch stärker an den Kreml gebunden hat.

Solche Garantien seien wichtig für einen zivilisierten Machtwechsel, sagte der Politikwissenschaftler Wladimir Schemjakin, Ex-Mitarbeiter der Präsidialverwaltung, der Zeitung Kommersant. Er warnte jedoch auch davor, dass der Gesetzentwurf "einen Keil zwischen den Präsidenten und seine Mannschaft" treibe. Diese hätte im Gegensatz zum Präsidenten keine Garantien für die Zeit nach dem Machtwechsel. Kremlsprecher Dmitrij Peskow nannte den Gesetzentwurf eine Verbesserung der aktuellen Situation. Eine solche Immunität sei "eine Praxis, die in vielen Ländern der Welt stattfindet und durchaus gerechtfertigt ist."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: