Süddeutsche Zeitung

Russland:Putins Pilgerfahrt

Russlands Präsident besucht die Mönchsrepublik am Berg Athos nach dem Treffen mit griechischen Politikern.

Von Julian Hans, Moskau

Was als Staatsbesuch begann, endete als Pilgerfahrt. Das letzte Stück legte Wladimir Putin am Samstag mit dem Schnellboot zurück, um die erste Landung russischer Mönche am heiligen Berg Athos vor eintausend Jahren zu feiern. Die Mönchsrepublik im Osten der Halbinsel Chalkidiki ist ein Zentrum der orthodoxen Christenheit, so etwas wie der Vatikan der Orthodoxie, wenn man will. In 20 Klöstern leben heute etwa 2300 Mönche, Frauen dürfen die autonome Republik nicht betreten.

Nachdem Russen und Griechen am Vortag bei Gesprächen in Athen Einigkeit betont hatten, kam es zum Schluss doch noch zu einer kleinen Verstimmung darum, wer den Thron besteigen darf. Traditionell gebührte der Platz dem Herrscher des Byzantinischen Reiches, also dem Kaiser von Konstantinopel. Berichten griechischer Medien zufolge hatten die Mönche dem Gast den Ehrenplatz für die Messe zugewiesen. Als die Protokoll-Abteilung des griechischen Präsidenten Prokopis Pavlopoulos monierte, die beiden Staatsoberhäupter müssten gleichgestellt sein, erklärten die Geistlichen, ein zweiter Thron sei nicht verfügbar. Pavlopoulos nahm danach nicht an der Zeremonie teil.

Die symbolische Thronbesteigung freut konservative Kreise in Russland. Sie betrachten Moskau als "Drittes Rom", also als neues Zentrum eines großen Imperiums nach dem Untergang Roms und Konstantinopels. Schon vor Putins Abreise nach Athen hatte der Moderator Dmitrij Kisseljow im staatlichen Sender Rossija daran erinnert, dass Moskau im Sykes-Picot-Abkommen vor einhundert Jahren einmal Konstantinopel, das heutige Istanbul zugesprochen wurde.

Die Gespräche Putins mit Pavlopoulos und Ministerpräsident Alexis Tsipras hatten am Freitag wenig konkrete Ergebnisse gebracht. Beide Seiten versicherten sich gegenseitig noch einmal ihrer Absicht, die Beziehungen zu vertiefen. Dies hatten sie allerdings schon während zwei Besuchen von Tsipras im Vorjahr in Moskau getan. Nach wie vor haben die Russen Interesse an griechischen Staatsunternehmen, die im Zuge der Verhandlungen mit den Gläubigern Griechenlands privatisiert werden sollen. Putin nannte die Eisenbahnen und den Hafen von Thessaloniki als Objekte.

Die Pläne für den Bau eines Verteilerpunkts für russisches Erdgas, das über den Boden des Schwarzen Meeres in die Türkei geleitet werden soll, kommt nicht voran, weil Ankara und Moskau seit dem Abschuss eines russischen Bombers an der türkisch-syrischen Grenze im Clinch liegen. Russland habe die Pläne für den Bau einer Gasleitung durch das Schwarze Meer über Griechenland nach Italien nicht aufgegeben, sagte Putin.

Der Handel zwischen Russland und Griechenland ist im vergangenen Jahr um ein Drittel eingebrochen, was vor allem den niedrigen Energiepreisen und dem schwachen Rubel geschuldet ist. Auch die von der EU verhängten Sanktionen und das russische Embargo für Lebensmittel aus Europa spielen eine Rolle. Obwohl Tsipras sich gegen die Sanktionen ausgesprochen hatte, hat sein Land die letzte Verlängerung der Maßnahmen mitgetragen. Putin seinerseits hatte die Hoffnungen der überschuldeten Regierung auf neue Kredite oder eine Ausnahme für die Einfuhr griechischer Produkte nach Russland nicht erfüllt.

Seine erste Reise in ein EU-Land seit einem halben Jahr nutzte Putin außerdem für eine Warnung an Polen und Rumänien. Durch die Stationierung von Einheiten eines Raketenschutzschirms der Nato könnten sie "ins Fadenkreuz" seines Landes geraten.

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SZ vom 30.05.2016
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