War Alexej Uljukajew wirklich korrupt, als er vom Geschäftsführer des Erdölkonzerns Rosneft, dem Putin-Vertrauten Igor Setschin, eine verschlossene Tasche annahm, in der sich jede Menge Bargeld befand - oder war es eine Falle, in die der damalige russische Wirtschaftsminister tappte? Konkret: Wusste er von dem Geld?
Fest steht: Der Minister wurde in die Rosneft-Zentrale gebeten, in der er, wie abgehörte Telefonate nahelegen, in der Nacht auf den 15. November 2016 eher widerwillig erschien. Setschin überreichte ihm einen Präsentkorb mit Wurst und die Tasche, in der Uljukajew nach eigener Aussage Weinflaschen vermutete. Tatsächlich enthielt sie allerdings zwei Millionen Dollar - angeblich eine Summe, die Uljukajew von Rosneft erpresst hatte, damit er einem Privatisierungsgeschäft zustimmt - und er wurde festgenommen. Am folgenden Tag entließ Putin seinen Minister. Der russische Inlandsgeheimdienst FSB sprach damals von einem "Ermittlungsexperiment".
Die Richterin im folgenden Strafprozess sah es nun als erwiesen an, dass Uljukajew das Geld aus Eigennutz annahm und hat ihn wegen Korruption zu acht Jahren Lagerhaft verurteilt. Außerdem verhängte das Gericht eine Geldstrafe von 130 Millionen Rubel (1,88 Millionen Euro). Die Anklage hatte zehn Jahre Lagerhaft und eine Geldstrafe von umgerechnet 7,2 Millionen Euro gefordert. Uljukajew hat jede Schuld bestritten.
Hinweise auf Machtkampf in der russischen Elite
Beobachter in Moskau werten das rigorose Vorgehen der Justiz gegen einen Minister als Zeichen eines Machtkampfs in der russischen Elite. Der Hauptbelastungszeuge, Rosneft-Chef Setschin, hatte vier Vorladungen vor Gericht ignoriert. Präsident Wladimir Putin stellte sich am Donnerstag hinter seinen langjährigen Weggefährten, der als einer der mächtigsten Männer Russlands gilt. Es verstoße nicht gegen das Gesetz, nicht als Zeuge auszusagen, sagte der Staatschef bei seiner jährlichen Pressekonferenz.
Kritische russische Medien haben mehrfach darauf hingewiesen, dass das mutmaßlich korrupte und erpresserische Vorgehen Uljukajews sich erst nach dem umstrittenen Verkauf der Ölfirma Baschneft an Rosneft abgespielt habe. Der Wirtschaftsliberale Uljukajew habe das Geschäft unter staatlichen Konzernen abgelehnt. Sein Argument: Wenn ein Konzern wie Rosneft, der mehrheitlich in Staatsbesitz ist, Anteile an Baschneft erwirbt, könne von einer Privatisierung nicht die Rede sein. Putin entschied mit seinem Machtwort aber anders. Ein weiteres Indiz, das aus dieser Sicht für Uljukajew spricht, ist, dass die Bestechungssumme für einen russischen Minister zu gering sei.