Süddeutsche Zeitung

Russland:Putins afrikanische Ambitionen

Moskau vereinbart mit dem Sudan, dort einen Marine- Stützpunkt zu errichten. Offiziell geht es um den Kampf gegen Piraterie und um Frieden in der Region. Aber auch andere Motive liegen auf der Hand.

Von Frank Nienhuysen und Anna Reuß, München

Es ist ein Federstrich mit strategischer Wirkung. Präsident Wladimir Putin hat ein Abkommen mit dem Sudan unterzeichnet, das Russland den Bau eines Marine-Stützpunktes am Roten Meer ermöglicht. Es wäre der zweite in der Nahost-Region neben der russischen Basis im syrischen Tartus. Der Vertrag läuft über 25 Jahre und verlängert sich um jeweils weitere zehn Jahre, wenn er nicht aufgelöst wird. Offiziell geht es um den Bau eines Logistik-Zentrums, das "Frieden und Stabilität in der Region" erhalten solle. Praktisch dürften dort vier Schiffe, auch atomgetriebene gleichzeitig stationiert sein sowie bis zu 300 militärische und zivile Personen. Über die sudanesischen Häfen und Airports darf Russland außerdem für die Basis notwendige Waffen, Munition und Ausrüstung transportieren. Und politisch dürfte Russland damit seinen Einfluss in Afrika ausbauen.

Der ehemalige Stabchef der russischen Marine, Viktor Krawtschenko, sagte, dass das Abkommen die "russische Präsenz in Afrika und die operativen Möglichkeiten der Flotte vergrößern wird". Der Admiral erwähnte vor allem den Kampf gegen die Piraterie in der Region. Doch politische und wirtschaftliche Gründe dürften wichtiger sein, zumal sich das Problem der Piraterie zuletzt ohnehin verringert hat.

Russland hat nach dem Zerfall der Sowjetunion in den vergangenen Jahren wieder verstärkt versucht, an die alten einflussreichen Zeiten in Afrika anzuknüpfen. Erst vor wenigen Wochen hat Moskau ein Militärbüro in der Zentralafrikanischen Republik eröffnet, es unterstützt das Land mit Waffen im Kampf gegen militärische Gruppierungen. Für Russland geht es in den Ländern Afrikas oft um den Zugang zu wichtigen Energieressourcen, wie etwa in Guinea, wo es große Bauxit-Vorkommen gibt.

Bereits bei einem Gipfeltreffen im russischen Sotschi 2019 warb Putin vor mehr als 40 afrikanischen Staats- und Regierungschefs für eine engere Zusammenarbeit. Doch nicht nur Moskau ist bestrebt, seinen Einfluss in Afrika auszuweiten. Auch etwa die USA und China sind auf dem Kontinent aktiv. Peking setzt dabei vor allem auf Kredite und Entwicklungsfinanzierung. Außerdem treiben insbesondere die arabischen Golfstaaten seit Jahren aus direkter Nachbarschaft ihre regionale Vormachtstellung am Roten Meer voran: Von der arabischen Halbinsel aus ist das Horn von Afrika das Tor zum afrikanischen Kontinent.

Aufgrund der Handelsrouten sind die Staaten von strategischer Bedeutung. Die Küsten am Roten Meer und im Golf von Aden sind gespickt mit wichtigen Häfen, wie etwa Port Sudan. Russland, derzeit laut dem Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri der größte Waffenlieferant für die Staaten Afrikas, hat also klare strategische Interessen bei dem Abkommen mit Sudan. Die Idee dazu stammt noch aus der Zeit des ehemaligen sudanesischen Präsidenten Omar al-Baschir, der bereits 2017 bei einem Russland-Besuch über eine russische Basis sprach, 2019 aber nach monatelangen prodemokratischen Protesten gestürzt worden war. In der 30 Jahre andauernden Diktatur war das Land faktisch isoliert. Die reformwillige Übergangsregierung unter Premier Abdalla Hamdok versucht seit dem Putsch, den Sudan wieder in die internationale Gemeinschaft einzugliedern.

Das Ankündigung des Kreml, einen Marinestützpunkt im Sudan zu eröffnen, kam nur wenige Wochen, nachdem die US-Regierung ihre Absicht angekündigt hatte, den Sudan von der Liste der staatlichen Terrorismus-Förderer zu streichen. Dies würde wiederum den USA den Weg für bessere bilaterale Beziehungen ebnen. Kurz zuvor hatte die Trump-Regierung zwischen Israel und Sudan vermittelt. Sudan erklärte als drittes arabisches Land, offiziell bilaterale Beziehungen mit Israel aufzunehmen. Es seien die Russen gewesen, die "das Thema" - also eine Militärbasis im Sudan - im November wieder auf die Tagesordnung brachten, sagte Al-Sawarmi Khalid Saad, ehemaliger Sprecher der sudanesischen Armee, dem Magazin African Arguments. Die Annäherung Sudans an die USA könnte dabei eine Rolle gespielt haben.

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