Russland:Medwedjews langer Weg ins Abseits

Tass: Russischer Regierungschef Medwedew tritt zurück

Putins Gefährte: Dmitrij Medwedjew

(Foto: dpa)

An den bisherigen russischen Ministerpräsidenten knüpften Liberale einst viele Hoffnungen - vergebens.

Von Frank Nienhuysen

Seit mehr als elf Jahren haben Dmitrij Medwedjew und Wladimir Putin in Russland ein politisches Tandem gebildet, und es gab sogar eine Zeit, in der Medwedjew vorn sitzen durfte. Als Putin nach zwei Amtszeiten als Präsident nicht noch einmal antreten konnte, zog Medwedjew in den Kreml. Das war 2008. Die Liberalen in Russland und im Westen sowieso setzten viele Hoffnungen auf diesen jungen Mann, der konzilianter und offener wirkte als Putin, der mit Barack Obama einen Neustart in den russisch-amerikanischen Beziehungen wagen wollte und der auch immer wieder vom Umbau in Russland selbst sprach. Nun ist Medwedjew vom Tandem abgestiegen. In Russland war das schon seit Jahren erwartet worden.

Vor allem in der großstädtischen Mittelschicht hatten viele einst gehofft, dass Medwedjew nicht nur ein Platzhalter bis zur Rückkehr Putins sein würde, sondern sich im Kreml für eine weitere Amtszeit festsetzen würde. Dazu kam es nicht. Dass es im Winter 2011/12 zum ersten Mal nach Jahrzehnten zu Massenprotesten in Moskau kam, lag nicht nur an Manipulationen bei der Parlamentswahl, sondern auch an der Enttäuschung über die Rochade in Russlands höchsten Ämtern.

Medwedjew wurde Ministerpräsident, aber er hat es nicht geschafft, ein beliebter Ministerpräsident zu sein. Putin wurde wieder der dominante Präsident, Medwedjew blieb ein blasser Premier. Russische Politologen haben seitdem immer wieder prophezeit, wann Medwedjew abgelöst würde. Gemessen an Popularität und Prognosen hat er sich sogar erstaunlich lange an der Spitze der Regierung gehalten. Andererseits diente Medwedjew auch immer wieder als Führungsfigur in Moskau, die Kritik auf sich zog und zugleich von Präsident Putin fernhielt.

Mit einigen Aussagen beschädigte er selbst sein Ansehen

Eine der emotionalsten Debatten, die in den vergangenen Jahren tobten, war die über eine Anhebung des Renteneintrittsalters. Es war Medwedjew, der vor allen anderen den Zorn der Bürger abbekam. Es war Putin, dem dann die Einflussnahme für ein gemäßigteres Modell zugeschrieben wurde. Auch Medwedjew hat es versäumt, die Wirtschaftsstruktur so zu verändern, dass die Abhängigkeit vom Export der Energieressourcen nennenswert zurückgehen konnte. Statt den Einfluss des Staates auf die russische Wirtschaft einzudämmen, ist er eher gestiegen. Kreativität und Wettbewerb, wie Medwedjew sie fördern wollte, hat er kaum anreizen können.

Sein Ansehen wurde aber auch durch sehr unglückliche Aussagen und Vorwürfe beschädigt. Als vor einigen Jahren einmal eine Rentnerin ihr Leid klagte und sagte, dass ihre Rente einfach nicht reiche zum Leben, da antwortete Regierungschef Medwedjew: "Wir haben kein Geld. Halten Sie durch." Einem russischen Lehrer hielt er einmal auf dessen Unmut, dass er als Pädagoge so wenig verdiene, entgegen, wer Geld verdienen wolle, der solle in die Wirtschaft gehen. Medwedjew erhielt in den sozialen Medien dafür eine Menge Hohn.

Und geschadet hat ihm sicher auch der Vorwurf einer Recherche des Oppositionspolitikers und Anti-Korruptionskämpfers Alexej Nawalny, der Medwedjew beschuldigte, er besitze heimlich in Russland sowie im Ausland ein Luxusimperium. Der Ministerpräsident wies die Anschuldigungen zurück, aber seine Popularität sank weiter. Zuletzt war allerdings sogar wieder spekuliert worden, ob Medwedjew für Putin noch einmal eine extrem nützliche Rolle übernehmen könnte, nämlich noch einmal den Präsidenten zu geben, von 2024 an, wenn Putin der Verfassung nach aufhören muss. Davon ist er nun weit entfernt.

Nach acht Jahren als Ministerpräsident wird Medwedjew gleichwohl nicht politisch abtauchen. Putin schickt ihn als Stellvertreter in den einflussreichen Sicherheitsrat, wo er sich um die Schlüsselbranchen Verteidigung und Sicherheit kümmern soll. Noch immer ist Medwedjew einer der engsten Vertrauten Putins. Beide kennen sich seit ihrer gemeinsamen Zeit in der Sankt Petersburger Stadtverwaltung. Und wenn viele in Russland gemutmaßt hatten, dass Medwedjew als Präsident zu Putins Konkurrenten geworden sei, der seine eigenen Ambitionen entwickele, so wurde dies durch den Ämtertausch widerlegt. Loyalität gilt für Wladimir Putin als eine der wertvollsten Eigenschaften in der Politik.

Doch Medwedjew hat bald ohnehin eine der vielleicht schwierigsten Aufgaben zu bewältigen. Als Chef der Regierungspartei Einiges Russland muss er die extrem unbeliebte Partei auf die Parlamentswahl im kommenden Jahr vorbereiten. Und das in einer Zeit, in der das Gewicht des russischen Parlaments ausdrücklich gestärkt werden soll.

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