Russland:Putin droht schon wieder

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Kremlchef Wladimir Putin beim Treffen mit dem russischen Sicherheitsrat. (Foto: Alexei Nikolsky/Reuters)

Die erweiterte Doktrin zum Einsatz von Atomwaffen soll Angst machen. Dabei hat der Westen Moskaus rote Linien ohnehin immer wieder überschritten.

Von Sebastian Gierke

Das Fernsehen hat übertragen, natürlich. Immerhin sprach der Präsident. Die Botschaft, die Wladimir Putin vor dem russischen Sicherheitsrat präsentierte und die ins ganze Land hinausgetragen wurde, war allerdings gar nicht primär für die Russen bestimmt. Das, was Putin erklärte, war vor allem nach außen gerichtet, an die westlichen Partner der Ukraine, die gerade diskutieren, ob sie dem angegriffenen Land erlauben sollen, mit westlichen Raketen auch Ziele tief auf russischem Territorium anzugreifen. 

Putin also sagte, Russland werde seine Nukleardoktrin überarbeiten und „der gespannten internationalen Lage anpassen“. Die Liste militärischer Bedrohungen, gegen die Atomwaffen zur Abschreckung genutzt werden können, wird demnach erweitert: „Eine Aggression gegen Russland durch einen Nicht-Kernwaffenstaat, aber mit Beteiligung oder Unterstützung eines Kernwaffenstaates, soll als gemeinsamer Angriff auf die Russische Föderation betrachtet werden“, sagte Putin. Der Einsatz von Atomwaffen sei demnach auch möglich, wenn die Existenz Russlands durch Angriffe auch mit konventionellen Waffen bedroht ist. Der Präsident nannte als mögliches Beispiel massive Luftangriffe mit Kampfflugzeugen, Marschflugkörpern, Drohnen, Hyperschallwaffen und anderen Flugobjekten. Festgelegt worden sei aber auch, dass der Einsatz von Nuklearwaffen die „äußerste Maßnahme zum Schutz der staatlichen Souveränität“ sei.

„Wenn Putin das wirklich ernst meinen würde, wären wir ja schon im Atomkrieg“

Derartige Drohungen mit Verweis auf das russische Atomwaffenarsenal waren aus Russland im Verlauf der vergangenen Kriegsjahre immer wieder zu hören. Kurz nach dem Beginn des Angriffskrieges meistens von Putin selber, dann immer öfter von seinen Scharfmachern. Und in der Regel gerade dann, wenn im Westen über die Lieferung neuer Waffen an die Ukraine diskutiert wurde. Immer wieder zeichnete Moskau rote Linien, immer wieder wurden sie überschritten. Wahr machte Putin seine Drohungen bislang nicht. Die Nato und die meisten Beobachter im Westen halten auch die neuen Drohungen für einen Versuch, die westlichen Nuklearmächte davon abzuhalten, der Ukraine zu helfen.

Das sei „das Übliche“, sagt beispielsweise Gustav Gressel, Russland- und Militärexperte beim internationalen Institut European Council on Foreign Relations. „Wenn Putin das wirklich ernst meinen würde, wären wir ja schon im Atomkrieg“, sagt Gressel. Denn laut russischer Rechtsauffassung seien vier ukrainische Oblaste und die Krim russisches Staatsgebiet. „Selbst eine defensive Präsenz ukrainischer Truppen dort wäre demnach ein von den USA unterstützter Angriff.“ Die russische Nukleardoktrin sei bereits in der Vergangenheit recht flexibel gewesen. „Wenn Russland praktischen Wert in einem Kernwaffeneinsatz gesehen hätte, hätte es diesen bereits unter den alten Bedingungen rechtfertigen können“, glaubt Gressel. Er sieht die aktuellen Drohungen vor allem als „Zeichen der Schwäche des Westens“, als Zeichen, dass Putin die Entschlusskraft der Ukraine-Unterstützer anzweifelt. Putin erhoffe sich keine Gegenwehr und maximale Aufmerksamkeit.

Dazu passt, dass Putins Auftritt im Sicherheitsrat kurz vor dem an diesem Donnerstag in den USA geplanten Treffen von US-Präsident Joe Biden mit dem ukrainischen Staatschef Wolodimir Selenskij stattfand. Selenskij wird auch bei diesem Treffen wieder die Freigabe reichweitenstarker Waffen fordern. Laut Gressel wäre das richtig und wichtig: „Der russische Angriffskrieg ist illegal und illegitim. Der Ukraine stehen alle legalen Mittel der Verteidigung zu, genauso wie allen Staaten nach UN-Charta das Recht zustehe, die Ukraine darin zu unterstützen.“

Aus der Ukraine kam am Donnerstag die Antwort: „Außer atomarer Erpressung hat Russland nichts mehr, keine anderen Instrumente schüchtern die Welt ein“, schrieb der Chef des Präsidentenbüros, Andrij Jermak, auf Telegram. Die versuchte Angstmache werde aber nicht funktionieren.

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