Russland:Militärparade in Moskau: Putin vermeidet weitere Eskalation

Victory Day Parade in Moscow

Der russische Präsident Wladimir Putin bei seiner Ansprache zum "Tag des Sieges" auf dem Roten Platz in Moskau.

(Foto: EVGENIA NOVOZHENINA/REUTERS)

Zum Jahrestag des Weltkriegsendes kann der russische Präsident keinen Sieg in der Ukraine verkünden. Doch er ruft deswegen weder - wie vielfach befürchtet - den Kriegszustand noch eine Mobilmachung aus.

Von Kassian Stroh

Der russische Präsident Wladimir Putin hat bei der Militärparade in Moskau den Einsatz der russischen Streitkräfte in der Ukraine gerechtfertigt und gewürdigt, eine weitere rhetorische oder tatsächliche Eskalation des Kriegs aber vermieden. Die Soldaten kämpften im Donbass in der Ostukraine für die Sicherheit Russlands, sagte er am Vormittag auf dem Roten Platz. Er warf der Nato vor, gegen Russland vorgegangen zu sein und die Ukraine aufgerüstet zu haben. Deshalb habe man "einen präventiven Schlag gegen die Aggressoren" unternommen, das sei das einzig Richtige gewesen.

Erneut bezichtigte Putin die Nato, russische Sicherheitsinteressen ignoriert zu haben. Vielmehr habe das westliche Militärbündnis Territorien an der Grenze zu Russland erobern wollen. Es habe Militärberater in die Ukraine geschickt und diese aufgerüstet; dort habe man bereits die Anschaffung von Atombomben erwogen, behauptete Putin.

Im Schatten seines Krieges gegen die Ukraine feiert Russland an diesem Montag den Sieg über Hitlerdeutschland vor 77 Jahren. Bei der traditionellen Militärparade zum "Tag des Sieges" in Moskau wurde Putins Rede mit Spannung erwartet. Seit Wochen rätselten Experten, was er sagen wird - und ob er womöglich eine General- oder Teilmobilmachung in Russland ausruft. Das aber tat er nicht.

In seiner Ansprache stellte Putin den Angriff auf die Ukraine in eine Reihe mit dem Zweiten Weltkrieg und der Annexion der Krim vor acht Jahren. Er würdigte die Opfer in diesen Kriegen und die Soldaten, die "gefallen sind im gerechten Kampf für Russland". Auffallend war, wie viel Raum er den Kriegsopfern in seiner Rede gab - ein Thema, das in Russland bisher kaum eine Rolle spielte. Für Familien von Gefallenen kündigte er Hilfen an.

Um neun Uhr hatte die Parade begonnen. 11 000 Soldaten, 131 Fahrzeuge, 77 Flugzeuge, Jets und Helikopter sollten im Zentrum Moskaus zu sehen sein - so die Ankündigung im Vorhinein. Eine Flugshow wurde wegen des Wetters jedoch abgesagt. Seit 1995 wird in Russland jedes Jahr am 9. Mai eine große Parade auf dem Roten Platz abgehalten, um an den Sieg über Deutschland zu erinnern. Dort ist wegen der Zeitverschiebung zum Zeitpunkt der Kapitulation Nazideutschlands der 9. Mai der Tag des Kriegsendes, nicht wie in Westeuropa der 8. Mai.

Da der Angriff auf die Ukraine, der am 24. Februar begonnen hat, bislang nur wenig erfolgreich war, konnte Putin nun keinen Sieg verkünden und diesen symbolträchtig mit dem Sieg über Hitlerdeutschland verknüpfen - auch in der Ukraine hat er ja die "Entnazifizierung" als offizielles Ziel und als Begründung für seinen Krieg ausgegeben.

Nicht eingetreten ist die Befürchtung von Experten, dass der russische Präsident die Feierlichkeiten für eine Eskalation nutzen, den Kriegszustand ausrufen und eine Teil- oder Generalmobilmachung anordnen könnte. Mit einem solchen Schritt könnte die Regierung beispielsweise neue Soldaten einziehen, um die in der Ukraine geschwächten Truppen zu verstärken; ein formaler Kriegszustand wäre zudem Voraussetzung für einen Erstschlag mit Atomwaffen. Zuvor hatte Kremlsprecher Dmitrij Peskow beteuert, Putin werde "auf keinen Fall" den Kriegsfall ausrufen. Gleichwohl war noch keine der Militärparaden zum 9. Mai mit so viel Spannung und Sorge erwartet worden.

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