Andrej Piwowarow:Russischer Oppositioneller am Flughafen festgenommen

Lesezeit: 1 Min.

Andrej Piwowarow leitete die Stiftung "Offenes Russland", die sich soeben selbst auflöste, um nicht durch eine Gesetzesänderung kriminalisiert zu werden. (Foto: Alexander Zemlianichenko/dpa)

Der Politiker Andrej Piwowarow saß bereits in einem polnischen Flugzeug nach Warschau. Es wurde in St. Petersburg vom Start zurückgeholt.

Von Florian Hassel, Belgrad

Flug LO686 der polnischen Fluggesellschaft Lot von St. Petersburg nach Warschau rollte am Montagabend schon zum Start, als der Pilot die Anweisung erhielt, zum Terminal zurückzukehren. Dort wurde der Passagier Andrej Piwowarow festgenommen. Er war bis vor Kurzem Exekutivdirektor des "Offenen Russland", der 2001 gegründeten Stiftung des ehemaligen Ölmilliardärs und heute im Exil lebenden Oppositionellen Michail Chodorkowskij.

Russland hat die Gesetzgebung gegenüber Bürgergruppen und "ausländischen Agenten" verschärft. 2015 wurde der Begriff "unerwünschte Organisation" ins russische Strafrecht eingeführt, der sich vor allem gegen unabhängige Gruppen richtet, die sich mit Zuschüssen ausländischer Regierungen oder Geldgeber finanzieren. Am 26. Mai erklärte Russlands Generalstaatsanwalt etwa die deutschen Bürgergruppen "Deutsch-Russischer Austausch", "Zentrum Liberale Moderne" und das "Forum russischsprachiger Europäer" für unerwünscht.

Im russischen Parlament liegen zudem Gesetzentwürfe für noch strengere Strafen für Russen, die für derlei Organisationen arbeiten. Das "Offene Russland" löste sich deshalb am 27. Mai offiziell in Russland auf. Piwowarow verkündete nach dem Auflösungsbeschluss, er fahre erst einmal in Urlaub.

Der Staatsanwalt wartet im südrussischen Krasnodar

Doch am 29. Mai eröffnete das Ermittlerkomitee im südrussischen Krasnodar gegen ihn ein Verfahren wegen der Zusammenarbeit mit einer "unerwünschten Organisation". Vorgeblicher Anlass war möglicherweise eine öffentliche Reaktion Piwowarows im August 2020 zur Registrierung von Kandidaten für Lokalwahlen für die "Vereinigten Demokraten", eine Oppositionsgruppe, die ebenfalls mit Chodorkowskij verbunden ist. Nach seiner Verhaftung wurde Piwowarow am Dienstag zum Staatsanwalt ins südrussische Krasnodar geflogen.

Auch andere Oppositionelle stehen unter Druck. Am Dienstagmorgen durchsuchte die Polizei die Datscha des Ex-Parlamentariers Dmitrij Gudkow, früher bei der liberalen Jabloko-Partei und Mitbegründer der "Vereinigten Demokraten". Polens Vize-Außenminister Marcin Przydacz sagte im Fernsehsender TVP Info, die russische Aktion habe wohl "den Charakter einer gewissen Art von Provokation" gehabt. In Polen haben etliche politisch unter Druck geratene Russen und Bürger aus Belarus Zuflucht gefunden. Ob darauf auch Piwowarow hoffte, ist ungewiss.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: