Süddeutsche Zeitung

Russland:"Putin ist besessen von Reichtum und Luxus"

Der Oppositionelle Alexej Nawalny veröffentlicht ein neues Enthüllungsvideo, das angeblich "Putins Palast" am Schwarzen Meer zeigt. Der Kreml nennt das "reinen Quatsch".

Von Silke Bigalke, Moskau

Alexej Nawalny hat auf den richtigen Moment gewartet, um dieses Video zu veröffentlichen. Der Oppositionelle sitzt seit Montag in einem Moskauer Untersuchungsgefängnis. Doch den Film, den sein Team nun bei Youtube zeigt, hat er noch in Deutschland gedreht und geschnitten. "Ich habe Ihnen versprochen", sagt er darin, "dass wir Wladimir Putin besuchen."

Der Oppositionelle hat schon häufig Videos über die Luxusanwesen der Mächtigen in Russland gedreht. Zum ersten Mal greift er nun den Präsidenten persönlich an, zeigt eine riesige Prunkanlage am Schwarzen Meer - angeblich "Putins Palast". Wer hineinschaue, so Nawalny, werde verstehen "dass der Präsident Russlands psychisch krank ist, besessen von Reichtum und Luxus". Im Video bricht der Oppositionelle sogar noch ein weiteres Tabu, indem er über das Familienleben Putins spricht, über dessen Ex-Frau, zwei mutmaßliche Geliebte und deren Anteil am Reichtum. Am Ende geht er so weit, Bilder einer angeblichen unehelichen Tochter zu zeigen.

Das Video ist innerhalb eines Tages mehr als 24 Millionen Mal angeklickt worden. Sicher liegt das große Interesse auch an Nawalnys Rückkehr und daran, dass er gleich festgenommen wurde. Im Video sagt er, warum er mit der Veröffentlichung warten wollte, bis er zurück in Moskau ist: Die "Hauptfigur des Films", also Putin, sollte nicht glauben "dass wir Angst vor ihm haben".

Für die Aufnahmen ist Nawalny nach Dresden gereist, dort hat Putin zwischen 1985 und 1990 als KGB-Offizier gedient. Nawalny läuft an renovierten Plattenbauwohnungen vorbei, dort habe der "zukünftig reichste Mann der Welt" gelebt. Er wolle zeigen, wie Putin "vom normalen Sowjetoffizier zum Irren" werden konnte. Dafür spickt er sein Video mit verwirrend vielen Namen und Dokumenten, blendet Grafiken ein, die komplizierte Netzwerke aus Konzernen und Scheinfirmen erklären sollen.

Das Gelände soll 39 Mal so groß sein wie Monaco

Er möchte zeigen, wie Putin seinen Weggefährten Aufträge und Posten in staatlichen Großkonzernen zuschacherte. Eines seiner Kernprinzipien sei dabei stets gewesen: "Wenn du aus dem Budget stehlen und etwas vom Staatseigentum abzweigen willst, teile mit Putin!" So sammelte der Präsident laut Nawalny auch das Geld für seinen Palast bei Gelendschik ein, gebaut auf dem "geheimsten und am besten bewachten Gelände in ganz Russland". Das sei keine Residenz, "das ist eine ganze Stadt, oder besser: ein Königreich. In diesem gibt es nur einen Zaren".

Das Gelände soll 39 Mal so groß sein wie das Fürstentum Monaco. Nawalnys Team ist es von einem Gummiboot aus gelungen, eine Drohne darüber kreisen zu lassen. Die Aufnahmen zeigen einen weißen Palast, umsäumt von angelegten Gärten, eine Hängebrücke führt zum Gästehaus, dazu kommen Kirche, Gewächshaus, Hubschrauberlandeplatz, eine unterirdische Eishockeyhalle, ein Tunnel die Steilküste hinunter zum Strand, außerdem gibt es einen Weinberg und eine Austernfarm. Vorbeifahrende Fischerboote werden großräumig umgeleitet.

Es ist eine Art "Versailles" am Meer. Nawalny sagt, über Konstrukteure habe er die Grundrisse der Villa erhalten. Außerdem habe sein Team den Katalog eines der exklusiven Möbellieferanten erhalten, Putin sitze auf Ledersofas für zwei Millionen Rubel pro Stück, mehr als 22 000 Euro. In einem animierten, digitalen Rundgang durch den Palast zeigt er das private Kino, das Casino, die Schlafräume. Vor allem die versenkbare Pole-Dance-Stange auf einer Bühne im lilafarben gehaltenen Salon dürfte in Erinnerung bleiben.

Zwar ist nicht ganz neu, dass es diesen Palast gibt. Schon vor knapp zehn Jahren kamen Fotos an die Öffentlichkeit. Damals hieß es aber bald, der Palast sei verkauft worden - vom Geschäftsmann Nikolaj Schamalow, mit dem Putin befreundet ist, an den Geschäftsmann Alexander Ponomarenko, den Putin auch kennt. Laut Nawalny war der Verkauf ein Schwindel.

Der Kreml tat das Enthüllungsvideo nun trotzdem als alten Hut ab. "Vor vielen Jahren haben wir schon erklärt, dass Putin keinen Palast in Gelendschik hat", sagte Kremlsprecher Dmitrij Peskow. Er habe das Video nicht gesehen, es sei "reiner Quatsch".

Nawalnys bisher erfolgreichster Enthüllungsfilm drehte sich übrigens um die Luxusimmobilien des damaligen Premierministers Dmitrij Medwedjew. In den Wochen nach der Veröffentlichung 2017 gingen Tausende auf die Straße und protestierten gegen Korruption. Das Medwedjew-Video bleibt mit 38 Millionen Aufrufen das bisher erfolgreichste von Nawalnys Team. Doch der Film über Putins Palast hat schon jetzt mehr als halb so viele. Nawalnys Team hat einen Aufruf an den Anfang des Videos gestellt: Die Zuschauer sollen am Samstag in ihren Städten für Nawalnys Freilassung demonstrieren. Ein Protest, der nicht genehmigt ist und vor dem der Kreml warnt.

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