Nach Anschlag auf Putin-Kritiker Nawalny:Baustopp für Nord Stream 2 wäre teuer

Gas-Pipeline Nord Stream 2

Mecklenburg-Vorpommern: Das Schiff Audacia verlegt in der Ostsee vor der Insel Rügen Rohre für die Gaspipeline Nord Stream 2.

(Foto: dpa)

Außenminister Maas droht Russland mit einem Aus des Gaspipeline-Projekts, warnt aber vor finanziellen Konsequenzen. Beteiligte Firmen könnten Schadenersatz in Milliardenhöhe fordern.

Von Daniel Brössler, Berlin

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) hat erstmals indirekt mit einem Stopp der umstrittenen Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 gedroht, zugleich aber auch vor den wirtschaftlichen Folgen gewarnt. "Ich hoffe nicht, dass die Russen uns zwingen, unsere Haltung zu Nord Stream 2 zu ändern", sagte er der Bild am Sonntag. Wer wegen des Nervengiftanschlags auf den russischen Oppositionellen Alexej Nawalny ein Aus der Pipeline fordere, müsse sich aber "der Konsequenzen bewusst sein". An Nord Stream 2 seien mehr als hundert Unternehmen aus zwölf europäischen Ländern beteiligt, etwa die Hälfte davon aus Deutschland. Damit spielte Maas auch auf mögliche Schadenersatzforderungen an.

"Das ist sehr wahrscheinlich", sagte der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses im Bundestag, Klaus Ernst (Linke), der Süddeutschen Zeitung zur Frage, ob solche Forderungen zu erwarten seien. "Der Bau ist, so weit nötig, durch die Behörden aller beteiligten Länder genehmigt. Daraufhin erfolgten die Investitionen", betonte Ernst.

In der Kontroverse um die weitgehend fertiggestellte Gas-Pipeline, die insgesamt 9,5 Milliarden Euro kosten soll, meldeten sich sowohl Befürworter als auch Gegner zu Wort. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) wandte sich gegen Forderungen nach einem Baustopp. "Wir sind aufeinander angewiesen, wir brauchen diese Zusammenarbeit", sagte Kretschmer. Auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident und Bewerber um die CDU-Kanzlerkandidatur, Armin Laschet, wandte sich gegen eine Verknüpfung der Pipeline mit dem Fall Nawalny. Nötig sei eine europäische Antwort, kein deutscher "Alleinweg". Der CDU-Politiker Friedrich Merz, ebenfalls ein Bewerber um die Kanzlerkandidatur, hatte zuvor einen zweijährigen Baustopp für Nord Stream 2 gefordert. Für sie sei Nord Stream 2 nie ein "Herzensprojekt" gewesen, sagte CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer.

"Wenn es in den nächsten Tagen auf der russischen Seite keine Beiträge zur Aufklärung gibt, werden wir mit unseren Partnern über eine Antwort beraten müssen", sagte Außenminister Maas. Etwaige Sanktionen sollten "möglichst zielgenau wirken". Die Debatte auf Nord Stream 2 zu verengen, werde dem "brutalen Verbrechen" an Nawalny nicht gerecht. Nach Erkenntnissen eines Bundeswehr-Labors ist Nawalny mit einem Nervengift der Nowitschok-Gruppe vergiftet worden. Bleibe es nun bei "Verschleierungen und Nebelkerzen" müsse man davon ausgehen, "dass Russland etwas zu verheimlichen hat", sagte Maas. Das russische Außenministerium warf der Bundesregierung im Gegenzug vor, die Aufklärung zu behindern, weil ein Moskauer Rechtshilfeersuchen vom 27. August bisher unbeantwortet sei.

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt forderte SPD-Altkanzler Gerhard Schröder auf, seine Tätigkeit für den russischen Gazprom-Konzern zu beenden. Er müsse sich jetzt entscheiden, "ob er auf der Seite der Demokratie und der Menschenrechte steht", sagte sie der Funke-Mediengruppe. Schröder ist Präsident des Verwaltungsrates der Gazprom gehörenden Nord Stream 2 AG.

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