Russland:"Nächster Stopp: Moskau"

Paul Whelan appears in a photo provided by the Whelan family

Paul Whelan diente im US-Militär bei den Marines - habe nach seinem Ausscheiden aber nicht mehr für die US-Regierung gearbeitet, so seine Familie. Nun wurde er in Moskau verhaftet.

(Foto: Reuters)

Russland verhaftet einen US-Touristen wegen Spionage-Verdachts. Spekuliert Putin auf einen Gefangenenaustausch?

Von Silke Bigalke, Moskau

Er sei als Hochzeitsgast in Moskau gewesen. Noch am Freitag habe Paul Whelan den Fremdenführer gespielt, sagte sein Bruder David dem US-Sender CNN, er habe anderen Gästen den Kreml gezeigt, auch das Brautpaar sei dabei gewesen. Als die Trauung später am selben Tag stattfand, fehlte der Amerikaner, das Paar meldete ihn als vermisst. Am Montag, an Silvester, stellte sich heraus, dass der russische Inlandsgeheimdienst FSB Whelan festgenommen hatte. Er sei "während eines Aktes der Spionage" ertappt worden.

Paul Whelan, ein ehemaliger US-Marine, wurde zu einer Zeit verhaftet, in der mehrere Spionageskandale das ohnehin angespannte Verhältnis zwischen Russland und den USA belasten. Vor zwei Wochen hatte die Russin Maria Butina in Washington gestanden, die Vereinigung der Waffenlobby (NRA) unterwandert zu haben, um Kontakte zu US-Politikern zu knüpfen. Der 30-Jährigen wird illegale Agententätigkeit während des US-Wahlkampfes vorgeworfen. Nun willigte sie ein, mit den Ermittlern zusammenzuarbeiten.

Die Regierung in Moskau stellt Maria Butina als zu Unrecht beschuldigte, politische Gefangene dar. Ob er es für möglich halte, in Russland Ausländer zu verhaften, um sie gegen im Ausland inhaftierte Russen auszutauschen - diese Frage ist Präsident Wladimir Putin während seiner Jahrespressekonferenz kurz vor Weihnachten mehrfach gestellt worden. Butina sei offenbar "gezwungen worden, dort drüben etwas zu gestehen", sagte Putin. Russland werde "keine unschuldigen Menschen verhaften, nur um sie später gegen jemanden auszutauschen". In der Vergangenheit hat es immer wieder Gefangenenaustausche zwischen Russland und dem Westen gegeben, unter anderem ist der russische Doppelagent Sergej Skripal auf diese Weise freigekommen. Der Giftanschlag auf ihn und seine Tochter im Frühjahr 2018 in Großbritannien ist ein weiterer Grund für das Zerwürfnis mit Moskau.

Ex-Soldat Paul Whelan, 48, arbeitet heute für den amerikanischen Automobilzulieferer Borg-Warner. Dieser hat bestätigt, dass Paul Whelan für die Sicherheit im Unternehmen zuständig sei, sowohl im heimischen Michigan als auch in anderen Zweigstellen weltweit. Borg-Warner belieferte in Russland lange den Lkw-Hersteller Kamaz. Whelans Bruder beschreibt dessen Tätigkeit eher als Diebstahlsicherung. Es ging dabei nicht um Cybersecurity oder Personenschutz. Sein früherer Dienst bei den Marines sei Whelans einzige Verbindung zum Staat gewesen. Die Washington Post berichtete, dass Whelan 2008 nach Delikten aus dem Militär entlassen wurde, er war wohl in Diebstähle verwickelt.

Paul Whelan ist nach Angaben seiner Familie viel und gerne gereist, seit mehr als zehn Jahren auch regelmäßig nach Russland. Es gibt ein Profil unter seinem Namen bei VK, einem sozialen Netzwerk in Russland, das Facebook ähnelt. Dort gibt es mehrere Fotos von Whelan - eines zeigt ihn im Trikot des Fußballclubs Spartak Moskau - und kurze Statusmeldungen auf Russisch. Laut seinem Bruder spricht er die Sprache jedoch nur in Ansätzen. "Next stop, Moscow ..." lautet sein jüngster Eintrag. Demnach war er das letzte Mal am 28. Dezember im VK-Netzwerk aktiv, dem Tag seiner Verhaftung.

"Wir sind tief besorgt um seine Sicherheit und sein Wohlergehen", schrieb Paul Whelans Familie am Dienstag in einer Stellungnahme. "Seine Unschuld ist unbestreitbar und wir vertrauen darauf, dass seine Rechte respektiert werden." Am selben Tag erklärte das US-Außenministerium, man habe die russischen Behörden um Kontakt zu dem Festgenommenen gebeten. Sollte er wegen Spionage schuldig gesprochen werden, drohen Whelan bis zu 20 Jahre Gefängnis.

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