Russland:Moskaus wilder Osten

Russland sucht nicht nur in Europa, sondern auch in Ostasien Anerkennung als geostrategische Macht. Nordkorea bietet als Nachbar einen gefährlichen Krisenherd. Aber Präsident Putin schafft es nicht, mit China eine gemeinsame Strategie zu entwerfen.

Von Julian Hans

Das eigene Volk mit Giftgas angreifen oder Atomraketen bauen - das geht, solange man eine Vetomacht im UN-Sicherheitsrat an seiner Seite weiß. Diese Rolle hat innerhalb von nur einer Woche zwei Mal Russland übernommen. Erst stoppte Moskau eine Resolution zur Untersuchung des Giftgaseinsatzes in Syrien (die es vorher selbst verlangt hatte). Dann verhinderte es, dass Nordkorea vom höchsten internationalen Gremium aufgefordert wurde, seine Raketentests zu beenden. Selbst China, lange Zeit Schutzmacht des Kim-Regimes, war bereit, die Resolution diesmal mitzutragen.

Für Kim Jong-un hegt man in Moskau ebenso wenig warme Gefühle wie für Baschar al-Assad. Russlands Führung ist sich der Gefahr wohl bewusst, die von einem unberechenbaren Nachbarn mit Atombombe ausgeht. Auch wenn die gemeinsame Grenze im Fernen Osten gerade einmal 17 Kilometer lang ist - von dort bis zu Russlands östlichster Großstadt Wladiwostok sind es nur 130 Kilometer Luftlinie.

Deshalb ist auch Moskau an einer Lösung interessiert. Allerdings nur an einer Lösung, bei der man gleichberechtigt mit am Tisch sitzt. Das betonen Wladimir Putin und sein Außenminister stets. So war es bei den Sechs-Parteien-Gesprächen der Fall, die das nordkoreanische Atomprogramm aber nicht stoppen konnten und 2009 abgebrochen wurden. Zu diesem Format will Washington deshalb unter keinen Umständen zurück.

Putin will Einfluss in Ostasien, aber China ziert sich demonstrativ

Kremlnahe Strategen sagen oft, dass Russland von einer europäischen Randfigur zu einer zentralen Macht auf dem eurasischen Kontinent werden müsse. Demonstrativ wandte sich Moskau nach Beginn des Ukraine-Konflikts vom Westen ab und dem Osten zu. Die Beziehungen zu Peking seien so gut wie nie zuvor, heißt es. Wenn die Nato 4000 Soldaten nach Osteuropa schickt, kommt ein Aufschrei aus Moskau. Wenn China an der Grenze Raketen stationiert, erduldet man das still.

Allein: Zwar hat das Abwenden von Europa funktioniert. Aber in Asien hat Russland bislang nicht das Gewicht und die Aufmerksamkeit bekommen, die man sich wünschte. Initiativen und Lösungsvorschläge für die drängenden Probleme der Region werden in Moskau kaum diskutiert. Die russische Elite denkt weiterhin in einem europäischen Koordinatensystem.

China ist derweil zur größten Wirtschaftsmacht der Erde geworden, übernimmt aber nur zögerlich eine aktivere Rolle bei der Lösung internationaler Krisen. Russland hat lange Erfahrung als Supermacht, leidet aber seit einigen Jahren unter wirtschaftlichen Problemen. Würden beide ihre Stärken verbinden, könnte man viel bewegen, hoffen russische Strategen. Nur ist Russland nicht der einzige und bei Weitem nicht attraktivste Akteur, der um Chinas Gunst wirbt. Den Besuch von Xi Jinping bei Donald Trump wird Putin daher mit Argwohn verfolgt haben. Der Chinese und der Amerikaner regelten die Ordnung im Südpazifik unter sich, zum Dessert ließ Trump Marschflugkörper auf Putins Schützling Assad feuern. Und Xi schwieg.

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