Russland:Moskaus ewige Sorge

Russia's President Putin holds news conference at the end of a G8 summit in Enniskillen

Was will Russland? Wladimir Putin beim G8-Gipfel in Nordirland

(Foto: REUTERS)

Russland reagiert mit Ablehnung auf den Vorschlag der USA, Atomwaffen abzubauen. An dem Beispiel zeigt sich mal wieder: Das Land unter Wladimir Putin sorgt sich mehr um den eigenen Status als Großmacht als um alles andere. So bald wird sich an dieser Haltung nichts ändern.

Ein Kommentar Julian Hans

Mann muss in diesen Tagen ziemlich weit reisen, um an einen Ort zu gelangen, an dem Gespräche zwischen Russen und Amerikanern in gegenseitigem Vertrauen geführt werden und praktische Ergebnisse hervorbringen. Immerhin ist das mehr als zwei Jahrzehnte nach Ende des Kalten Krieges keine Utopie mehr, es gibt diesen Ort. Er befindet sich etwa 400 Kilometer von der Erde entfernt. Dort kreist die Internationale Raumstation derzeit unter dem Kommando des Russen Pawel Winogradow mit zwei weiteren russischen Besatzungsmitgliedern, zwei Amerikanern und einem Italiener an Bord alle anderthalb Stunden einmal um den Heimatplaneten.

Hier unten jedoch wirkte die Stimmung beim Aufeinandertreffen der Staatschefs beider Länder zuletzt frostiger als das All. Auch nach 100 000 Toten im syrischen Bürgerkrieg will Wladimir Putin den Diktator Baschar al-Assad nicht fallenlassen; Barack Obamas Initiative zu weiterer Abrüstung der Atomwaffen, ausgerufen mit einigem Pathos an historischem Ort, bekam umgehend eine Abfuhr aus Moskau. Das nukleare Gleichgewicht müsse gewahrt bleiben, erklärte Putin.

Kompromiss als Niederlage

Dabei sind es längst ganz andere Dinge, die die Welt aus dem Gleichgewicht zu bringen drohen. Der sich ankündigende Flächenbrand im Nahen Osten lässt sich ebenso wenig mit Atomraketen in Schach halten wie der internationale Terrorismus, das verstehen auch Hardliner in Moskau. Solange aber die Sorge um den eigenen Status als Großmacht alles andere überlagert, gilt jeder Kompromiss als Niederlage.

Und davon hat Russland aus Moskauer Sicht seit dem Ende der Sowjetunion schon zu viele erlebt: den Beitritt einstiger Teilrepubliken zur Nato, das Einmischen der USA im Vorhof Zentralasiens mit dem Afghanistan-Krieg und in der arabischen Welt mit dem Krieg im Irak. Dass der Westen den arabischen Frühling nicht nur hingenommen sondern auch begrüßt hat, war für den Kreml unbegreiflich. Schließlich hatten doch alle über viele Jahre gut leben können mit den Diktatoren in der Region, die immerhin berechenbar waren und für Stabilität sorgten. Erst die Massendemonstrationen führten im Westen zu einem Umdenken. Wladimir Putin aber kann in derlei demokratischen Äußerungen immer noch nicht mehr erkennen als Unruhe und Destabilisierung. Das zeigt nicht zuletzt auch sein Vorgehen gegen die Zivilgesellschaft im eigenen Land.

Bande aus einem anderen Jahrhundert

Trotz der Einigung auf eine zweite Syrien-Konferenz in Genf wird sich an seiner Haltung auch auf mittlere Sicht nichts ändern. Die Entwicklungen in Libyen und Ägypten sind für Putin der Beweis, dass der Abgang der Diktatoren nur die Islamisten stärkt. Dazu kommt, dass weder Muammar al-Gaddafi noch Hosni Mubarak enge Verbündete Moskaus waren. Die Bande mit der Familie Assad dagegen rühren noch aus den Siebzigerjahren.

Einmal mehr bestätigt Putin dabei seinen Ruf als gewiefter Taktiker - aber schlechter Stratege. Weil er fest daran glaubt, dass Großmächte kleinen Staaten ihren Willen aufzwingen können, will er ein Vordringen der USA in der Region um jeden Preis verhindern. Auch um den Preis vieler weiterer Tote in Syrien. Dass er dabei nicht nur den Einfluss Russlands in der Region verspielt, sondern auch die internationale Glaubwürdigkeit Russlands, gerät dabei aus dem Blick. Früher oder später wird auch ohne ein UN-Mandat in den Krieg eingegriffen werden, Israel hat es mit zwei Luftangriffen im Mai bereits getan, die Türkei droht.

Vor 15 Jahren durfte Russland erstmals beim Treffen der sieben größten Industrienationen teilnehmen, die G 7 wurden zu den G 8. Jetzt erinnerte der kanadische Regierungschef Stephen Harper daran, man könne ja auch wieder ohne Moskau.

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