Russland:Mindestlohn gegen Verfassungsreform

Präsident Putin lockt das Volk zum Referendum. Eine Arbeitsgruppe, die eine neue Verfassung austüftelt, will, dass ehemalige Präsidenten das Recht auf eine lebenslange Mitgliedschaft als Senator im Föderationsrat erhalten.

Von Frank Nienhuysen

Die Frage, was einmal aus Wladimir Putin wird, wenn 2024 seine letzte Amtszeit ausläuft, treibt Russland schon eine Weile um. Zumindest ein Posten zeichnet sich nun ab. Eine Arbeitsgruppe, die gerade eine neue Verfassung austüftelt, hat vorgeschlagen, dass ehemalige Präsidenten das Recht auf eine lebenslange Mitgliedschaft als Senator im russischen Föderationsrat erhalten. Ein zuständiger Duma-Ausschuss hat dies begrüßt. Am Donnerstag diskutierte Kremlchef Putin mit der 75-köpfigen Arbeitsgruppe über die Verfassungsreform. Das Paket soll Ende Februar im Parlament beschlossen und dann der Bevölkerung zur Volksabstimmung vorgelegt werden. Im Gespräch ist der 22. April. Der Tag soll dafür zum arbeitsfreien Tag erklärt werden. Eine Zustimmung ist äußerst wahrscheinlich, zumal Putin am Donnerstag Mindestlöhne und -renten versprach, falls das Referendum durchgeht.

Putin hatte im Januar in seiner Rede an die Nation eine Verfassungsänderung vorgeschlagen. Unter anderem soll das Parlament künftig den Ministerpräsidenten und die Minister benennen. Außerdem ist geplant, den bisher relativ unbedeutenden Staatsrat fest in die Verfassung zu schreiben und damit aufzuwerten. Welche Rolle genau Putin künftig einnehmen könnte, ist noch unklar. Die Arbeitsgruppe hat bisher mehr als hundert Änderungsvorschläge gemacht. Darunter war die Idee, den Präsidentenposten umzubenennen in "Oberster Anführer". Offenbar hält Putin davon allerdings nicht all zu viel. Kritiker bemängeln, dass in der Arbeitsgruppe nur wenige Rechtsexperten mitmachen. Ihr gehören viele bekannte Künstler und Sportler an, etwa Stabhochsprung-Olympiasiegerin Elena Issinbajewa, der Pianist Denis Mazujew und der Generaldirektor des Ermitage-Museums, Michail Piotrowskij.

Die vorgeschlagene Einführung eines lebenslangen Senatorenpostens im Föderationsrat ist in den vergangenen Tagen heftig diskutiert worden. Auch, ob dies etwa bereits für Dmitrij Medwedjew gelten würde, den bisher einzigen ehemaligen Präsidenten Russlands, für den dies überhaupt in Frage käme. Medwedjew ist in der Bevölkerung unbeliebt und war vor wenigen Wochen mitsamt dem Kabinett zurückgetreten, blieb aber Chef der Regierungspartei Einiges Russland und wird stellvertretender Leiter des Sicherheitsrats.

Sollten die Vorschläge angenommen werden, könnte sich der Föderationsrat von 170 auf 200 Mitglieder vergrößern. Der oberen Parlamentskammer, die Gesetze mit beschließt, gehören je zwei Vertreter der 85 Regionen an. Künftig dürfte der Präsident zusätzlich 30 Personen benennen, die sich um den Staat verdient gemacht haben, sieben von ihnen auf Lebenszeit, darunter eben frühere Staatschefs. Dass die Bevölkerung sich auch mal einen anderen Präsidenten vorstellen kann, zeigt eine Umfrage des Lewada-Instituts. Demnach ist das Vertrauen in Putin mit 35 Prozent auf den niedrigsten Wert seit sechs Jahren gefallen.

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