Russland:Herz für Separatisten

In Moskau werden Unabhängigkeitsbewegungen aus der ganzen Welt großzügig empfangen. Im eigenen Land geht der Kreml jedoch unbarmherzig gegen alle vor, die sich der Zentralmacht entziehen wollen.

Von Julian Hans, Moskau

Es gibt schönere Häuser in der russischen Hauptstadt als das President Hotel. In dem Mitte der Achtzigerjahre erbauten Beton-Riegel in Sichtweite des Kremls bringt die russische Regierung gern ausländische Diplomaten unter. Ein Zimmer sei allerdings stets für den Präsidenten reserviert, heißt es, wenngleich wenig darüber bekannt ist, ob er es jemals nutzt. In einer Etage haben die Kadyrowzy ihr Lager aufgeschlagen, die persönliche Truppe des Tschetschenen-Oberhaupts Ramsan Kadyrow.

Seit diesem Wochenende stehen einige neue illustre Namen im Gästebuch des Hotels. Da nahmen am runden Tisch des Konferenzsaales unter Kronleuchtern Vertreter von Separatistenbewegungen aus der ganzen Welt Platz und hielten eine Tagung ab, die den Titel trug: "Dialog der Nationen. Das Recht der Völker auf Selbstbestimmung und der Aufbau einer multipolaren Welt." Es sei "die erste internationale Konferenz dieser Art" rühmten sich die Veranstalter.

Auf der Gästeliste: Vertreter der Frente Polisario, die für eine Unabhängigkeit der Westsahara kämpft; das Texas Nationalist Movement, dessen Anhänger der Meinung sind, der Staat sei nie den USA beigetreten; die Nation of Hawaii; die nordirische Partei Sinn Féin; und die Katalonische Solidarität für Unabhängigkeit Junts pel Sí, die zuletzt Hunderttausende für eine Abtrennung der nordspanischen Region von Madrid auf die Straße gebracht hat und bei der Wahl am kommenden Sonntag auf starke Stimmengewinne hofft.

Gemeinsam ist all diesen Bewegungen nicht nur ihr Drang zur Unabhängigkeit und Selbstbestimmung, sondern auch ihre feindliche Haltungen gegenüber den USA. Im Einladungstext zur Moskauer Konferenz ist laut der russischen Tageszeitung RBC die Rede davon, dass im Konflikt zwischen zwei Prinzipien des internationalen Rechts - der Unverletzlichkeit der Grenzen und des Selbstbestimmungsrechts der Völker - dem letzteren der Vorrang zu geben sei. Als Ergebnis der Konferenz solle den Vereinten Nationen ein entsprechender Resolutionsentwurf vorgelegt werden.

Darauf, dass die separatistische Internationale nicht nur mit Billigung, sondern auch mit freundlicher Unterstützung des Kremls tagte, lässt nicht nur der Ort der Konferenz schließen. Als Organisator tritt eine Antiglobalisierungsbewegung Russlands (ADR) auf, deren Ziel es ist, "Länder und Völker dabei zu unterstützen, dem Diktat der Unipolaren zu widerstehen und Alternativen anzubieten".

Der ADR-Vorsitzende Alexander Ionow hat sich schon in anderer Funktion um internationale Belange gekümmert: Als Co-Vorsitzender in einem Komitee für die Solidarität mit den Völkern Libyens und Syriens verlieh er im Frühjahr 2013 in Damaskus dem Diktator Baschar al-Assad die Ehrenmitgliedschaft dieser Organisation. Ein weiteres Ehrenmitglied ist Irans Ex-Präsident Mahmud Ahmadinedschad. Seit 2013 gehört Ionow außerdem zum Präsidium des Verbands "Offiziere Russlands".

Laut Einladung hat die ADR ihren Gästen in Aussicht gestellt, sowohl die Anreisekosten aus Hawaii, der Westsahara und Spanien als auch Unterkunft und Verpflegung in Moskau zu übernehmen. Das Geld komme aus Spenden und von staatlichen Stiftungen, erklärte Ionow dem RBC.

Gruppen aus Hawaii, Spanien oder der Westsahara - sie alle sind in Russland willkommen

Zwei Millionen Rubel, umgerechnet etwa 26 000 Euro, gab eine Nationale Wohltätigkeitsstiftung für die Konferenz. Die 1999 auf Initiative von Wladimir Putin gegründete Stiftung hat zum Ziel, "militärisch-patriotische Projekte" zu unterstützen. Ihr Direktor, Generalleutnant Wladimir Nosow, war stellvertretender Leiter der Abteilung Spionageabwehr beim Geheimdienst FSB. Die Mittel der Stiftung stammen sowohl von Privatpersonen wie dem Oligarchen Roman Abramowitsch, als auch von Unternehmen wie der staatlichen Sberbank oder dem Ölkonzern Lukoil.

Bewegungen, die die Unabhängigkeit einzelner Gebiete von Russland fordern, waren nicht zu der Konferenz eingeladen. Kein Wunder: Im eigenen Land greift die russische Führung hart gegen jede Regung durch, sich von der Moskauer Zentralmacht zu lösen. Zwei Kriege wurden deshalb in den vergangenen beiden Jahrzehnten in Tschetschenien geführt.

Seit vergangenem Jahr ist das Separatismus-Verbot auch im Gesetz verankert. "Öffentliche Aufrufe, die darauf zielen, die territoriale Integrität der Russischen Föderation zu zerstören" können mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden. Das Verbot wurde im Mai 2014 ins russische Strafgesetzbuch aufgenommen, kurz nach der Annexion der Krim, die nach russischer Lesart auf Bitte von Separatisten auf der ukrainischen Halbinsel hin erfolgte. Seitdem macht sich in Russland auch jeder strafbar, der sich dafür ausspricht, dass die Krim zur Ukraine gehört.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: