Süddeutsche Zeitung

Ausländer in Russland:Regelmäßig durchleuchtet

Die Regierung in Moskau zwingt alle, die keinen russischen Pass haben, zu Röntgen-, CT- und anderen Medizinchecks. Zwar hat der Kreml das Gesetz nun leicht abgeschwächt, aber der Deutsche Journalisten-Verband fordert Außenministerin Baerbock auf, klar Position zu beziehen.

Von Frank Nienhuysen

Deutsche und andere Ausländer müssen sich in Russland künftig regelmäßig und kostenpflichtig gesundheitlich untersuchen lassen, wenn sie sich dort langfristig aufhalten. Dazu gehören auch Tests auf HIV, Syphilis, Drogen, Tuberkulose und "psychoaktive Substanzen" sowie Blutentnahmen, Röntgenuntersuchungen oder CT-Aufnahmen. Auch Fingerabdrücke müssen hinterlegt werden. Ein entsprechendes Gesetz ist am Mittwoch trotz internationaler Kritik in Kraft getreten und soll vom nächsten Jahr an umgesetzt werden.

Im letzten Moment sind die Regelungen noch etwas abgeschwächt worden, nachdem sich mehrere ausländische, darunter auch deutsche Wirtschaftsverbände bei der russischen Regierung über das neue Gesetz beklagt hatten. Zunächst hatte dies umfangreiche Gesundheitschecks alle drei Monate vorgesehen. Am Mittwoch erklärte das russische Gesundheitsministerium jedoch, dass die medizinischen Dokumente zwar weiterhin nur drei Monate gültig seien, die Untersuchung selber allerdings erst nach jeweils einem Jahr wiederholt werden müsse. Dies gilt auch für alle mitgereisten Familienangehörigen ausländischer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, einschließlich aller Kinder ab sechs Jahren.

Auch in Berlin war das Gesetz am Mittwoch Thema. Man habe die neuen russischen Regelungen über medizinische Untersuchungen "zur Kenntnis genommen", sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes. "Selbstverständlich" teile man die Sorgen der vielen in Russland tätigen Organisationen und Unternehmen über die möglichen Auswirkungen der Regelungen auf die wirtschaftliche, wissenschaftliche und zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit. "Wir werden diese Sorgen aufnehmen und mit den russischen Stellen thematisieren."

Mehrere Wirtschaftsverbände hatten die russische Regierung in diesem Monat in einem Brief aufgerufen, das Gesetz abzuschwächen, darunter auch die Deutsch-Russische Auslandshandelskammer (AHK) in Moskau. Sie hatte vor Konsequenzen für die russische Wirtschaft gewarnt, da sich wichtige Manager von Russland abwenden könnten. Der AHK-Vorstandsvorsitzende Matthias Schepp sagte der Süddeutschen Zeitung am Mittwoch, die neuen Medizintests würden zwar vor allem auf Millionen Gastarbeiter aus Zentralasien abzielen, "das schlecht ausformulierte Gesetz" habe aber dazu geführt, "dass auch deutsche und andere westliche Manager, Ingenieure, Wissenschaftler und Journalisten ins Visier gerieten". Dass die russische Regierung "nun zurückrudert, ist schon mal ein Teilerfolg", bei dem auch die deutsche Wirtschaft geholfen habe, sagte Schepp. Der Deutsche Journalisten-Verband forderte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Mittwoch öffentlich dazu auf, sich gegen das Gesetz einzusetzen. Die US-Botschaft bezeichnete es als "fremdenfeindlich".

Der Kreml hatte vor Weihnachten das Gesetz verteidigt. Es gebe "gewisse Regeln", sagte Sprecher Dmitrij Peskow, deutete aber bereits Korrekturen an. Die Gesundheitschecks für Ausländer, vor allem wenn sie im Dreimonatsrhythmus nötig wären, könnten auch russische Firmen treffen, die in der Landwirtschaft und der Baubranche auf Wanderarbeiter insbesondere aus Zentralasien angewiesen sind. Nach einem Bericht der Zeitung Nowaja Gaseta kritisiert die Leiterin einer Hilfsorganisation für Migranten das neue Gesetz als diskriminierend, es würde Bestechung fördern und das Risiko erhöhen, dass Migranten illegal arbeiten.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5498208
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.