Süddeutsche Zeitung

Russland:Geld-Pipeline in den Westen

Ein neues Datenleck enthüllt ein großangelegtes System, durch das Milliarden Euro aus Russland im Westen gewaschen wurden. Zu den Profiteuren zählt auch ein guter Freund von Präsident Putin.

Von Hannes Munzinger, Frederik Obermaier und Bastian Obermayer

Durch ein ausgeklügeltes Geldwäschesystem sind innerhalb weniger Jahre Milliarden von Euro aus Russland in den Westen geflossen. Knapp 190 Millionen Euro landeten allein zwischen 2005 und 2014 auf deutschen Konten. Das System ermöglichte es korrupten Politikern, Kriminellen und Geschäftsleuten, Geld zu waschen, Steuern zu hinterziehen und Vermögen zu verstecken. Teile des Geldes stammen offenbar aus den größten Betrugsfällen der jüngeren russischen Geschichte. Etwa 80 Millionen Dollar sind mutmaßlich Profite aus jenem Betrug, den der später unter mysteriösen Umständen gestorbene Anwalt Sergej Magnitsky aufgedeckt hatte. Auch Firmen, die in einen Millionenbetrug am Moskauer Flughafen Scheremetjewo verwickelt sein sollen, zahlten Geld an Unternehmen des Netzwerks. Dies geht aus Bankunterlagen hervor, die dem Recherchenetzwerk Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP) und der litauischen Nachrichtenseite 15min.lt zugespielt wurden. Die Süddeutsche Zeitung hat die Unterlagen mit 20 weiteren Medienhäusern ausgewertet - darunter dem britischen Guardian, dem Schweizer Tages-Anzeiger und dem österreichischen Magazin Profil. Die Ergebnisse werden unter dem Titel "Troika Laundromat" veröffentlicht.

Vereinfacht gesagt, funktionierte das System wie eine Waschmaschine: Geld aus illegaler, aber auch legaler Herkunft floss in ein Netzwerk von rund 70 Briefkastenfirmen, das offenbar von der Investmentbank Troika Dialog in Moskau orchestriert wurde. Das Geld wurde hin und her überwiesen - auch zwischen verschiedenen Konten ein und derselben Firma. Der Überweisungszweck wurde offenbar oft frei erfunden, es finden sich Beispiele wie "Obst und Gemüse", "Baumaterial" oder "gefrorener Hering". In vielen Fällen wurden die Waren mutmaßlich nie gehandelt. Dies ist ein gängiger Trick zur Geldwäsche: "Man tarnt eine illegale Zahlung, indem man so tut, als wäre sie mit einer Warensendung verbunden", sagt die Kriminalitätsexpertin Louise Shelley vom Forschungszentrum Terrorism, Transnational Crime and Corruption Center. Al-Qaida-Gründer Osama bin Laden habe ein ähnliches System genutzt, um Geld zu transferieren.

Bei den geleakten Dokumenten handelt es sich um Korrespondenz, Verträge, Rechnungen und Informationen zu mehr als 1,3 Millionen Banküberweisungen. Sie betreffen zu großen Teilen die litauischen Banken Snoras und Ukio. Laut den Unterlagen ging ein zweistelliger Millionenbetrag auf einem Firmenkonto des Cellisten Sergej Roldugin ein, eines der besten Freunde von Russlands Präsident Wladimir Putin. Eine aktuelle Anfrage ließ Roldugin, der auch in den Panama Papers auftauchte, unbeantwortet.

Auch auf den Konten einer bayerischen Firma gingen rund 48 Millionen Dollar ein, deren Herkunft der deutsche Geschäftsführer nicht erklären konnte. Geldwäsche-fahnder warnen seit Jahren, dass in Deutschland im großen Stil Schwarzgeld aus Russland gewaschen wird, etwa über Immobilien und Spielhallen, aber auch über vermeintlich unverdächtige Geschäftsbereiche.

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Quelle:
SZ vom 05.03.2019
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