Spionage:Sonderflug nach Moskau

Spionage: Der Weg einer Iljuschin Il 96-300 von Berlin nach Moskau am Samstag, an Bord waren russische Diplomaten. Das Auswärtige Amt dementiert aber russische Angaben, die Botschaftsmitarbeiter seien ausgewiesen worden.

Der Weg einer Iljuschin Il 96-300 von Berlin nach Moskau am Samstag, an Bord waren russische Diplomaten. Das Auswärtige Amt dementiert aber russische Angaben, die Botschaftsmitarbeiter seien ausgewiesen worden.

(Foto: --/Flightradar24/dpa)

Etliche russische Diplomaten sind ausgereist. Das Auswärtige Amt will die Präsenz von Putins Geheimdiensten in Deutschland reduzieren, dementiert aber, die Botschaftsmitarbeiter ausgewiesen zu haben.

Von Christoph Koopmann und Paul-Anton Krüger, Berlin

Am Samstag landete auf dem Berliner Flughafen eine weiße Iljuschin Il-96-300. Die Maschine mit der Kennung RA-96014 darf nur mit einer Sondergenehmigung in den Luftraum der EU einfliegen. Es handelt sich um einen russischen Regierungsflieger. Das Flugzeug habe eine sogenannte Diplomatic Clearance gehabt, sagte ein Sprecher der Luftwaffe am Samstag der Deutschen Presse-Agentur. Der Zweck des Fluges: Angehörige der russischen Botschaft in Berlin zurück nach Moskau zu bringen.

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung verließ eine niedrige zweistellige Zahl russischer Diplomaten am Samstagnachmittag das Land und flog zurück nach Moskau auf den Flughafen Wnukowo. Das Auswärtige Amt wies allerdings die Darstellung des Außenministeriums in Moskau zurück, dass die Diplomaten aus Deutschland ausgewiesen worden seien.

"Tatsächlich führte die Bundesregierung in den vergangenen Wochen Gespräche mit der russischen Seite zur Präsenz an den jeweiligen Auslandsvertretungen, mit dem Ziel einer Reduzierung der russischen nachrichtendienstlichen Präsenz in Deutschland", hieß es aus dem Auswärtigen Amt. "Die heutige Ausreise von russischen Botschaftsangehörigen steht damit in Zusammenhang."

Geheimdienstler, getarnt als Diplomaten

Zuvor hatte die Sprecherin des Außenministeriums in Moskau, Maria Sacharowa, erklärt, Russland werde 20 deutsche Diplomaten ausweisen und reagiere damit auf eine entsprechende Maßnahme der Bundesregierung. Sie sprach von einer "weiteren Massenausweisung von Mitarbeitern russischer diplomatischer Vertretungen in Deutschland".

Das Außenministerium erklärte, man verurteile das Vorgehen "auf das Schärfste". Die "gesamte Bandbreite der russisch-deutschen Beziehungen" werde "trotzig zerstört". Russland habe entschieden, auf "das feindselige Vorgehen Berlins" entsprechend zu reagieren. Auch die Obergrenze für Mitarbeiter in deutschen diplomatischen Vertretungen in Russland werde erheblich begrenzt.

Hintergrund ist, dass nach Erkenntnissen der deutschen Sicherheitsbehörden Mitarbeiter russischer Geheimdienste als Diplomaten getarnt aus der Botschaft heraus spionieren und andere geheimdienstliche Aktivitäten entfalten. Offiziell sind sie als Diplomaten akkreditiert. Das Bundesamt für Verfassungsschutz schickt dem Auswärtigen Amt Listen mit Botschaftsangestellten, bei denen davon ausgegangen werden muss, dass sie in diese Kategorie fallen.

Jalousien zur Spionageabwehr

Bei der jüngsten Ausweisungswelle im April 2022 war die Liste der Sicherheitsbehörden länger als jene mit den Namen der Personen, die Bundesaußenministerin Annalena Baerbock schließlich zu unerwünschten Personen erklären ließ. Wie viele Agenten noch in Moskaus diplomatischen Vertretungen hierzulande vermutet werden, sagen die Behörden offiziell nicht.

Jede Größenordnung könnte dem Gegner einen Hinweis darauf geben, wie viel die Deutschen wissen - das will man nicht riskieren. Das Auswärtige Amt allerdings stellt sich darauf ein, die deutsche Botschaft in Moskau nur noch mit einer Rumpfbesetzung zu betreiben. Unklar ist auch noch, ob der designierte Botschafter Alexander Graf Lambsdorff die noch ausstehende Zustimmung der russischen Regierung erhält; er soll im Sommer den bisherigen Botschafter Géza von Geyr ablösen.

Die für Spionageabwehr zuständige Abteilung 4 des Verfassungsschutzes ist seit dem neuerlichen Überfall des russischen Präsidenten Wladimir Putin auf die Ukraine jedenfalls nicht unterbeschäftigt. Präsident Thomas Haldenwang hat immer wieder betont, dass Berlin die Hauptstadt der Spione sei, erst recht seit dem 24. Februar 2022.

Seine Verfassungsschützer haben auch die Bundestagsabgeordneten gewarnt, die ihre Büros an der Straßenseite im Otto-Wels-Haus haben - Unter den Linden 50, direkt gegenüber der russischen Botschaft. Der Spiegel schrieb schon vom "Trakt der Ausgelieferten". Sie sollen, wenn potenziell für Russland interessanter Besuch kommt, ihre Jalousien zuziehen. Bluetooth-Kopfhörer, Funk-Tastaturen und -Mäuse sind tabu, weil die Daten leicht abgefischt werden können.

China macht dem Verfassungsschutz Sorgen

Verfassungsschützer bringen momentan auch Abgeordneten in Landtagen oder Mitarbeitern in kritischen Unternehmen das Einmaleins der Spionageabwehr nahe: So sei extreme Vorsicht geboten, wenn man etwa in der Kneipe von Fremden angesprochen werde; auf Dienstreisen ins Ausland müsse man stets in Betracht ziehen, dass eine zufällige Bekanntschaft auch ein Anbahnungsversuch sein könne; außerdem müsse man prüfen, welches öffentliche WLAN für das Diensthandy sicher sei. Auch der Verfassungsschutz schult seine Mitarbeiter regelmäßig nach, im Bundesamt gibt es auch eine Hotline, über die Beamte anonym mögliche Kontakt- oder Ausspähversuche fremder Dienste melden können.

Viele Landesämter für Verfassungsschutz haben nach dem Mauerfall im allgemeinen Optimismus ihre Referate für Spionageabwehr heruntergespart. In manchem Amt arbeiteten nur noch zwei Leute, die sich vor allem um Wirtschaftsschutz gekümmert haben. Einige Landesämter stocken ihre Anti-Spionage-Teams jetzt wieder auf. Übrigens nicht nur aus Sorge vor Russland. Langfristig, so ist zu hören, müssten Chinas Aktivitäten viel stärker beobachtet werden.

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