Russland gegen den IS:Plötzlich will Putin Rache

  • Nach dem britischen Geheimdienst und amerikanischen Behörden spricht nun auch Russlands Präsident Putin offiziell von einem Terroranschlag, der die russische Urlaubermaschine über dem Sinai zum Absturz gebracht haben soll.
  • Seit den Anschlägen von Paris wirbt Russland verstärkt um einen gemeinsamen Anti-Terror-Kampf, womöglich hat Moskau seine Erkenntnisse über einen Bombenanschlag deshalb jetzt präsentiert.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo, und Frank Nienhuysen

Mehr als zwei Wochen nach dem Absturz der russischen Passagiermaschine über dem ägyptischen Sinai hat auch Russland erklärt, dass eine Bombe an Bord die Katastrophe verursacht hat. Es sei eindeutig ein Terrorakt, sagte der russische Geheimdienstchef Alexander Bortnikow in einer Sitzung, an der auch Präsident Wladimir Putin teilnahm. Spezialisten hätten herausgefunden, dass die selbstgebastelte Bombe eine Sprengkraft von bis zu einem Kilo TNT gehabt habe. In einem ungewöhnlichen Schritt setzte Russland eine Belohnung von 50 Millionen Dollar aus, für Hinweise, die zur Ergreifung der Täter führen. Die russische Chartermaschine zerbrach am 31. Oktober auf dem Weg vom ägyptischen Badeort Scharm el-Scheich nach Sankt Petersburg. Alle 224 Menschen an Bord starben, die meisten waren russische Urlauber.

Putin sagte am Dienstag: "Wir werden die Verbrecher überall suchen, wo auch immer sie sich verstecken. Wir werden sie an jedem Ort des Planeten finden und sie bestrafen." Russland vollzieht mit der Erklärung eine Wende in dem Fall. Ein Ableger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hatte sich kurz nach dem Absturz zu einem Anschlag auf den Airbus A321 bekannt, doch während der britische Geheimdienst und auch die amerikanischen Behörden recht schnell Bombenterror als die wahrscheinlichste Ursache ausgemacht hatten, hielt Moskau diese Einschätzung für verfrüht, allzu spekulativ und deshalb unseriös.

Die russische Führung und die Sicherheitsbehörden waren seitdem in einem Dilemma: Einerseits hatten die britischen Dienste offensichtlich bereits mehr Informationen als die russischen; andererseits wäre ein Bombenanschlag des IS gegen ein russisches Flugzeug neben dem Schock und der tiefen Trauer innenpolitisch ein fatales Signal. Denn erst wenige Wochen zuvor hatte sich Russland entschlossen, Luftangriffe in Syrien zu fliegen und damit in den Bürgerkrieg einzugreifen.

Putin bemüht sich um ein besseres Verhältnis zum Westen

Und schon kurz darauf hätte das Land die Rache der Dschihadisten getroffen. Der Leiter der russischen Luftfahrtbehörde hatte gesagt, dass es noch Monate dauern könnte, bis erste Untersuchungsergebnisse vorlägen. Doch auch Russland stoppte aus Sicherheitsgründen seine Flüge nach Ägypten, holte nach und nach Zehntausende russische Urlauber aus Scharm el-Scheich, getrennt von ihren Koffern. An einen technischen Defekt glaubte da offensichtlich in Moskau schon niemand mehr.

Nach dem Terror von Paris wirbt Russland verstärkt um einen gemeinsamen Anti-Terror-Kampf, womöglich auch deshalb hat der FSB seine Erkenntnisse über einen Bombenanschlag jetzt präsentiert. Putin, der sich um ein besseres Verhältnis zum Westen bemüht, bat denn auch ausdrücklich seinen Außenminister, dieser möge sich "an alle unsere Partner" wenden. Seinen Verteidigungsminister wies er an, Einsätze in Syrien gemeinsam mit dem "Verbündeten" Frankreich zu führen.

Die verstärkte Präsenz in Syrien dürfte Moskau nun auch mit dem Anschlag auf das Flugzeug rechtfertigen. Nach französischen Angaben bombardierte die russische Luftwaffe am Dienstag bereits Raqqa, die selbstausgerufene Hauptstadt der IS-Terroristen in Syrien. Bislang hatte Russland seine Angriffe auf Gegner des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad konzentriert - die ihrerseits selbst gegen den IS kämpfen.

In Ägypten sagte Premier Scherif Ismail nach einer Kabinettssitzung in Scharm el-Scheich, Ägypten und die Untersuchungskommission würden "die Erkenntnisse der russischen Behörden berücksichtigen, die bestätigt haben, dass das Flugzeug mit einer Bombe zum Absturz gebracht wurde". Er kündigte bessere Kontrollen von Gepäck und Personal an den Flughäfen des Landes an.

Die Regierung hatte Großbritannien scharf dafür kritisiert, als London die Flüge nach Scharm el-Scheich einstellte und Terror als wahrscheinlichste Absturzursache nannte. Dies sei voreilig, hieß es in Kairo, wo tagelang nicht über den Fortgang der Ermittlungen informiert wurde. Am Freitag entzog Russland der staatlichen EgyptAir wegen Sicherheitsbedenken die Landeerlaubnis in Moskau. Damit gibt es derzeit keine direkten Flugverbindungen zwischen Russland und Ägypten.

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