Süddeutsche Zeitung

Russland:Familienbande à la Putin

  • Recherchen der russischen Mediengruppe RBC zufolge verwalte die 29-jährige Tochter von Wladimir Putin ein Innovationsprojekt an der Moskauer Lomonossow-Universität mit einem Budget von 1,7 Milliarden Dollar.
  • Ihr Mann, Putins Schwiegersohn, hält 21 Prozent am Petrochemie-Riesen Sibur, wo er als 20-jähriger Student bereits Berater war.

Von Julian Hans, Moskau

Es war keine Bestätigung und auch kein Dementi. Aber die Art, wie Wladimir Putin bei seiner Jahrespressekonferenz am Donnerstag auf die Frage antwortete, ob es sich bei Katerina Tichonowa um seine Tochter handle, ließ wenig Zweifel offen. Er sei stolz auf seine Töchter, sagte Putin. Sie sprächen nicht nur zwei Fremdsprachen, sie gebrauchten diese auch beruflich. Entgegen früheren Berichten lebten übrigens beide in Russland, hätten "nie einen ständigen Wohnsitz im Ausland" gehabt und ausschließlich an russischen Universitäten studiert.

Die Frage, die ein Journalist der russischen Mediengruppe RBC gestellt hatte, zielte indes weniger auf Fremdsprachen und keineswegs auf Familien-Klatsch. RBC ist spezialisiert auf Wirtschaftsnachrichten und es ging um die Geschäftstätigkeit der Tochter, bei der ein einflussreicher Vater womöglich nützlich war. Im Januar hatte RBC von einem großen Innovationsprojekt an der Moskauer Lomonossow-Universität berichtet, das eine bisher nicht in Erscheinung getretene Frau namens Katerina Tichonowa leitet: 1,7 Milliarden Dollar verwaltet von einer 29-Jährigen ohne Management-Erfahrung.

Im November nun bestätigten mit dem Vorgang vertraute Personen der Agentur Reuters, was oppositionelle Journalisten schon früher anhand von Indizien zu beweisen versuchten: dass es sich bei Katerina um die jüngere Tochter Putins handelt, 1986 in Dresden geboren, die nun den Nachnamen ihrer Großmutter trägt.

Seine Töchter engagierten sich weder in der Wirtschaft noch in der Politik, sagte Putin am Donnerstag, "sie machen gerade die ersten Schritte in ihrer Karriere und haben dabei gute Erfolge". Wo sie diese Schritte tun, darüber wolle er "unter anderem aus Gründen der Sicherheit" nicht sprechen. Seine Töchter seien nie wie Kinder von Stars aufgewachsen, überhaupt sei er "der Meinung, dass jeder Mensch das Recht auf sein eigenes Schicksal hat".

Große Unternehmens-Anteile ohne nennenswertes Eigenkapital

Doch dann lobte Putin das Milliarden-Projekt, mit dem an Russlands wichtigster Universität ein Zentrum zur Vernetzung von Wirtschaft und Wissenschaft entstehen soll: "Das ist eine Initiative des Rektors, eine gute Initiative".

Einen Tag nach Putins Ausführungen legten RBC und Reuters nach und veröffentlichten umfassende Berichte über die Geschäfte von Tichonowas Ehemann: Der 33-jährige Kirill Schamalow hält 21 Prozent am Petrochemie-Riesen Sibur. Anfang der 2000er hatte Sibur zu Gazprom gehört. Als 20-jähriger Student bekam Schamalow dort den Posten eines Beraters, 2008 wurde er Vizepräsident von Sibur. Ab 2010 verkaufte Gazprom Sibur an die Unternehmer Leonid Michelson und Gennadij Timtschenko.

2014, nach der Heirat mit Putins Tocher, erwarb Schamalow Anteile von Timtschenko. Das Geld dafür - mehr als eine Milliarde Dollar - lieh ihm die Gazprombank, in der sein Bruder Jurij stellvertretender Vorsitzender ist. Auf diesem Wege hätte Putins Schwiegersohn, ohne über nennenswertes Eigenkapital zu verfügen, innerhalb weniger Jahre große Anteile an einem Unternehmen erworben, die nach Schätzungen von Experten 2,85 Milliarden Dollar wert sind.

Der Vater der beiden, Nikolaj Schamalow, gehörte ebenso wie Timtschenko zum Kreis jener Männer, die in den 1990ern mit Putin die Datschen-Kooperative Osero bei Sankt Petersburg gründeten und seit seiner Machtübernahme reich wurden. Weder Schamalow noch Sibur wollten die Recherchen kommentieren.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2788845
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 19.12.2015/dayk
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.