Anschlag auf Airport Domodedowo:Medwedjew spricht von Terrorangriff

Ein Selbstmordattentäter hat sich am Moskauer Flughafen Domodedowo in die Luft gesprengt. Mindestens 35 Menschen sterben. Mehr als 150 werden verletzt, darunter offenbar auch ein Deutscher. Der russische Präsident Medwedjew hat den Anschlag als Terrorakt bezeichnet.

Nach dem Selbstmordattentat auf dem internationalen Moskauer Flughafen Domodedowo ist die Zahl der Toten auf 35 gestiegen, mehr als 150 Menschen sind verletzt worden. Die Lage war auch Stunden nach dem Blutbad unübersichtlich.

Medics wheel a victim of a bomb explosion at Moscow's Domodedovo airport

Sanitäter fahren einen Verletzten aus dem Flughafen Domodedowo bei Moskau. Präsident Medwedjew sprach von einem "Terrorangriff", bei dem mindestens 35 Menschen starben.

(Foto: REUTERS)

Ermittler fanden am Abend die Leiche des mutmaßlichen Attentäters. Es handele sich um einen Mann im Alter zwischen 30 und 35 Jahren mit "arabischem Aussehen". Das sagte ein Ermittler der Nachrichtenagentur Interfax. Über die mögliche Identität war zunächst nichts bekannt. Nach Berichten russischer Medien wird vermutet, dass der Attentäter aus dem Konfliktgebiet im russischen Nordkaukasus kam.

Der russische Präsident Dmitrij Medwedjew bezeichnete den Anschlag als Werk mutmaßlicher Terroristen. "Nach den uns vorliegenden vorläufigen Informationen war es ein Terrorangriff", sagte Medwedjew in Moskau. Eine für Dienstag geplante Reise zum Weltwirtschaftsgipfel in Davos sagte der Präsident ab. Russische Sicherheitskräfte begannen unterdessen die Suche nach drei verdächtigen Männern.

Die Behörden bestätigten nach Angaben der Agentur Interfax, dass die Detonation eine Sprengkraft von mindestens sieben Kilogramm TNT gehabt habe. Die Bombe soll mit Schrauben und Metallkugeln gefüllt gewesen sein, um ihre verheerende Wirkung zu verstärken. Die Explosion ereignete sich gegen 14.30 Uhr MEZ, in der Ankuftshalle im internationalen Ankunftsbereich des Flughafens.

"Es gab eine Explosion. Dann habe ich einen Polizisten gesehen, der mit Körperteilen und Blut bedeckt war", sagte ein Augenzeuge dem Radiosender Russkaja Sluschba Nowostei. Der Beamte habe nur geschrien: "Ich habe überlebt, ich habe überlebt." Ein weiterer Augenzeuge sagte der BBC, zum Zeitpunkt der Explosion seien Tausende Menschen in dem Terminal gewesen. Sie seien aus dem Gebäude geströmt, einige seien blutverschmiert gewesen.

Erhöhte Wachsamkeit im ganzen Land

Präsident Medwedjew hat für die Verkehrsknotenpunkte im ganzen Land Alarmbereitschaft angeordnet. Auf Flughäfen und Bahnhöfen gelte von sofort an die erhöhte Sicherheitsstufe, sagte Medwedjew im Staatsfernsehen. Zugleich kritisierte er, dass offenbar zu laxe Sicherheitsvorkehrungen zu dem Anschlag geführt hätten. "Alle Patrouillen halten nach verdächtigen Personen und Gegenständen an öffentlichen Orten Ausschau", sagte ein Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden.

Tote und Verletzte bei Attentat auf Moskauer Flughafen

Alarmstufe eins auf Russlands größtem Flughafen: Bei einem Selbstmordattentat im Südosten Moskaus sind Dutzende Menschen getötet und etwa 130 weitere verletzt worden.

(Foto: Archivbild: dpa)

Mitarbeiter des Innenministeriums und des Inlandsgeheimdienstes FSB wurden an die drei großen Moskauer Flughäfen geschickt, wie RIA Nowosti meldete. Domodedowo im Südosten Moskaus ist nach den Passagierzahlen der größte Flughafen Russlands; die beiden anderen internationalen Moskauer Flughäfen sind Wnukowo und Scheremetjewo, hinzu kommen zwei Regionalairports.

Im Jahr 2009 wurden in Domodedowo 18,7 Millionen Passagiere abgefertigt. Nach Angaben der Eigentümer-Gruppe East Line wird Domodedowo im Südosten der Metropole gegenwärtig von 77 Airlines angeflogen, 36 davon sind ausländische Fluggesellschaften. Dazu gehören auch die deutschen Gesellschaften Air Berlin und Lufthansa.

Vermutlich auch eine Deutsche verletzt

Unter den Opfern des Selbstmordanschlags sind auch Bürger der Europäischen Union. Ein britischer Staatsbürger sei tot geborgen worden, teilten die russischen Behörden mit. Die Herkunft weiterer ausländischer Todesopfer war zunächst unklar.

Offenbar ist aber auch eine Deutsche bei dem Anschlag verletzt worden. Ihr Zustand sei stabil, meldete die Agentur Interfax unter Berufung auf Mediziner. Name, Alter und Herkunft waren zunächst nicht bekannt. Die Deutsche Botschaft in Moskau konnte die Angaben zunächst nicht bestätigen. Auch dem Auswärtigen Amt lagen zunächst keine Erkenntnisse vor. Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa handelt es sich allem Anschein nach um eine Russlanddeutsche.

Die Bundesregierung verurteilte den Anschlag. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) schrieb an den russischen Präsidenten: "Bitte übermitteln Sie meine Anteilnahme den unmittelbar betroffenen Personen und den Angehörigen der Opfer. Den Verletzten wünsche ich schnelle Genesung."

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) erklärte: "Dieser barbarische Akt ist durch nichts zu rechtfertigen. Wir empfinden tiefes Mitgefühl mit den Angehörigen und Freunden der Opfer." Auch London, Paris, Rom, Warschau und Washington sowie EU und Nato verurteilten den Anschlag.

Aufgrund der zeitweiligen Sperrung des Flughafens mussten drei Maschinen der Lufthansa umgeleitet werden. Die Flugzeuge seien auf benachbarte Flughäfen ausgewichen, sagte ein Konzernsprecher. Crewmitglieder oder Passagiere der Lufthansa seien von dem Anschlag nicht betroffen. Passagiere oder Mitarbeiter der Air Berlin seien ebenfalls nicht betroffen, sagte eine Sprecherin.

Russlands Regierungschef Wladimir Putin versprach schnelle Hilfe für die Angehörigen der Opfer. Er kündigte Geldzahlungen als Unterstützung an. Putin schickte Gesundheitsministerin Tatjana Golikowa zu den Verletzten in die Krankenhäuser, um deren Pflege zu überwachen. Sie solle alles unternehmen, um zu helfen, erklärte der frühere Kremlchef. "Die Zahl der Opfer wird steigen", sagte Golikowa.

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