Krieg in der Ukraine:EU will Druck auf Moskau erhöhen

Scheinreferenden in Ukraine: Verteilung von Wahlwerbung in Luhansk

Eine Helferin der "regionalen Wahlkommission" von Luhansk verteilt Wahlwerbung für die Scheinreferenden an Bürgerinnen: "27.09 Ja", heißt es da.

(Foto: Uncredited/AP/dpa)

Die Außenminister bereiten ein achtes Sanktionspaket vor. Im UN-Sicherheitsrat kommt es zu einem harten Schlagabtausch zwischen dem russischen und ukrainischen Chefdiplomaten.

Von Björn Finke, Paul-Anton Krüger und Kassian Stroh, Brüssel/Berlin

Die EU will weitere Sanktionen gegen Russland verhängen. Darauf haben sich die Außenminister der 27 EU-Mitgliedstaaten bei einem informellen Treffen am Rande der UN-Generalversammlung in New York geeinigt. Das geplante achte Sanktionspaket ist eine Reaktion auf eine weitere Eskalation des Ukraine-Kriegs durch Russlands Präsident Wladimir Putin: Während sich Staats- und Regierungschefs aus aller Welt im Zeichen der Völkerverständigung in New York versammelten, hatte Putin in einer Fernsehansprache eine Teilmobilmachung angekündigt und indirekt mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht. 300 000 Reservisten sollen die russischen Truppen in der Ukraine nun verstärken.

Auch die Außenminister der G-7-Staaten, also von Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien, Japan, Kanada und den USA, kündigten weitere gezielte Strafmaßnahmen an und vereinbarten, den wirtschaftlichen und politischen Druck auf Russland aufrechtzuerhalten. Das erklärte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock als Vorsitzende nach einem Treffen der Minister in New York. Sie stellten klar, dass die Annexion weiterer Teile der Ukraine durch Russland ebenso wenig anerkannt würden wie die von Russland angekündigten Referenden in den Bezirken Luhansk, Donezk und Cherson, die an diesem Freitag beginnen sollen.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sagte nach dem Treffen der EU-Außenminister, dass die EU "neue restriktive Maßnahmen sowohl auf persönlicher als auch auf sektoraler Ebene ergreifen" werde. Die EU-Staaten erwägen zum einen, weiteren russischen Funktionären die Einreise in die EU zu verbieten; deren Vermögen in Europa soll eingefroren werden. Bislang betrifft diese Art von Sanktionen 1206 Personen. Zum anderen plant die EU offenbar zusätzliche Beschränkungen für Ein- und Ausfuhren. Borrell sagte, dass die neuen Strafen dem russischen Technologiesektor schaden sollten. Schon jetzt gibt es eine lange Liste wichtiger Produkte, die nicht nach Russland verkauft werden dürfen, etwa Computerchips oder Ersatzteile für Flugzeuge. Daneben geht es offenbar auch um Sanktionen gegen weitere Banken oder zusätzliche Beschränkungen für russische Exporte.

Im Gespräch ist seit dem G-7-Gipfel im Juni in Elmau auch eine Preisobergrenze für russische Ölexporte in alle Welt. In der EU tritt Ende des Jahres ohnehin ein Einfuhrverbot für per Tankschiff transportiertes russisches Öl in Kraft. Nur über die Druschba-Pipeline darf weiter Öl nach Ungarn, Tschechien und in die Slowakei fließen. Vor drei Wochen verständigten sich aber die Finanzminister der G 7, an einem weltweit gültigen Preisdeckel zu arbeiten. Dieser Initiative könnte sich die EU nun als Ganzes anschließen. Der Plan setzt bei den Schiffsversicherern an: Öltanker mit russischer Ware sollen demnach nur dann Versicherungen abschließen und andere Dienstleistungen in Anspruch nehmen dürfen, wenn das Öl zu einem nicht zu hohen Preis verkauft wurde, zum Beispiel nach Asien.

Über die Details neuer Sanktionen berät die EU-Kommission jetzt mit den Mitgliedstaaten; anschließend werden die 27 EU-Botschafter der Regierungen darüber in Brüssel diskutieren. Für jede Verschärfung ist Einstimmigkeit unter den Mitgliedstaaten nötig.

Im UN-Sicherheitsrat lieferten sich die Ukraine und westliche Partner am Donnerstag einen heftigen Schlagabtausch mit Russland. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba und sein russischer Kollege Sergej Lawrow trafen erstmals seit Kriegsbeginn im mächtigsten UN-Gremium in New York aufeinander. Kuleba beschuldigte Moskau schwerer Kriegsverbrechen und mahnte, Russland könne den Krieg nicht gewinnen. Lawrow wiederum erhob schwere Vorwürfe gegen die Ukraine und beschuldigte den Westen, sich durch Waffenlieferungen an und andere Unterstützung für Kiew direkt in den Krieg einzumischen. Lawrow erschien in der Sitzung nur für seinen eigenen Redebeitrag, verschwand danach aber direkt wieder und ließ sich den Rest der Zeit von seinem Vize Sergej Werschinin vertreten.

US-Außenminister Antony Blinken erklärte, dass Russland jetzt das Feuer, das es gelegt habe, weiter anheize, zeige eine völlige Verachtung der UN-Charta. Die internationale Ordnung werde "vor unseren Augen zerschlagen. Wir können und werden nicht zulassen, dass Präsident Putin damit durchkommt" Baerbock sagte, Moskau führe einen Krieg mit Kriegsverbrechen, Folter, Vergewaltigungen. An Russland gerichtet sagte sie: "Dies ist ein Krieg, den Sie nicht gewinnen werden."

In der russischen Bevölkerung regt sich erstmals seit Monaten wieder breiter öffentlicher Protest. In mehreren Städten gingen am Mittwoch Menschen auf die Straße. Schätzungen oder offizielle Zahlen gibt es dazu bisher nicht. Die Betreiber des Bürgerrechtsportals OWD-Info berichten von mehr als 1300 Festnahmen in gut drei Dutzend Orten.

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